Die Wohlgesinnten
zurückgestoßen, mitgeschleift, und unter dem schrillen Geräusch zerreißenden Blechs in den Graben geschleudert, wo er auf der Seite liegen blieb. Ich konnte den Soldaten, einen Asiaten, der auf dem Panzer saß, aus nächster Nähe deutlich erkennen, das flachnasige Gesicht schwarz von Motorenöl; unter seiner ledernen Panzerhaube trug er eine Damenbrille mit sechseckigen, rosa gefärbten Gläsern und hielt eine große Maschinenpistole mit rundem Magazin in der einen Hand, in der anderen einen Sonnenschirm mit Spitzenrand, der auf seiner Schulter auflag; mit gespreizten Beinen, gegen den Geschützturm gelehnt, ritt erauf der Kanone wie auf einem Streitross und fing die Stöße des Panzers mit der Mühelosigkeit eines skythischen Reiters ab, der sein kleines nervöses Pferd mit den Fersen lenkt. Zwei weitere Panzer mit Matratzen oder Sprungfederrahmen an den Seiten folgten ihm und machten dem Leiden der Verstümmelten, die noch zwischen den Trümmern zappelten, unter ihren Ketten ein Ende. Ihre Vorbeifahrt dauerte höchstens zehn Sekunden, sie fuhren weiter in Richtung Bad Polzin und hinterließen eine breite Spur von zerkleinertem Holz, vermischt mit Blut, zu Brei zerquetschtem Fleisch und Pfützen von Pferdegedärmen. Lange Bahnen von Verwundeten, die versucht hatten, in Deckung zu kriechen, röteten auf beiden Seiten der Straße den Schnee; hier und da wand sich schreiend ein Mensch, ohne Beine, auf der Straße lagen Rümpfe ohne Köpfe, Arme, die aus einem schmutzig roten Matsch herausragten. Ich zitterte an allen Gliedern, Piontek musste mir helfen, zur Straße zurückzukommen. Um mich herum schrien die Menschen, gestikulierten, andere standen starr, im Schockzustand, die Kinder stießen durchdringende Schreie aus, unaufhörlich. Thomas tauchte wieder auf und begann augenblicklich das Wrack unseres Wagens zu durchsuchen, er zog die Karte und eine kleine Tasche daraus hervor. »Wir müssen zu Fuß weiter«, sagte er. Ich machte eine Handbewegung, fassungslos: »Und die Menschen …?« – »Die müssen sehen, wie sie zurechtkommen«, sagte er schroff. »Wir können nichts für sie tun. Komm!« Er führte mich wieder über die Straße, Piontek folgte uns. Ich achtete darauf, nicht in menschliche Überreste zu treten, aber es war unmöglich, dem Blut auszuweichen, meine Stiefel hinterließen große rote Spuren im Schnee. Unter den Bäumen faltete Thomas die Karte auseinander. »Piontek«, befahl er, »durchsuchen Sie die Fuhrwerke, suchen Sie uns was zu essen.« Dann studierte er die Karte. Als Piontek mit einigen Vorräten in einem Kopfkissenbezug zurückkam, zeigte Thomassie uns. Es war eine Karte von Pommern in kleinem Maßstab, sie verzeichnete die Straßen und Dörfer, aber kaum mehr. »Wenn die Russen von dort gekommen sind, heißt das, dass sie Schivelbein schon genommen haben. Dann sind sie schon auf dem Weg nach Kolberg. Wir müssen nach Norden und versuchen, Belgard zu erreichen. Sollten unsere Truppen noch dort sein, gut, wenn nicht, werden wir uns was einfallen lassen. Sofern wir die Straßen vermeiden, kann uns eigentlich nichts passieren: Wenn die Panzer so schnell vorgestoßen sind, muss die Infanterie noch weit hinterherhinken.« Er zeigte mir ein Dorf auf der Karte, Groß Rambin: »Da ist die Bahnstrecke. Falls die Russen noch nicht dort sind, finden wir vielleicht etwas.«
Rasch durchquerten wir den Wald und gingen querfeldein. Der Schnee taute auf der gepflügten Erde, wir sanken bis zu den Waden ein; am Ende jedes Ackers verliefen Gräben voller Wasser, an denen sich Stacheldrahtzäune entlangzogen, niedrig, aber schwer zu überklettern. Dann kamen wir auf kleinen unbefestigten Wegen voran, matschig auch sie, aber doch leichter zu begehen, die wir in der Umgebung von Dörfern allerdings verließen. Es war anstrengend, aber die Luft war frisch, die Gegend verlassen und ruhig; auf den Straßen schritten wir kräftig aus, Thomas und ich etwas lächerlich in unseren Dienstanzügen, die Hosenbeine mit Schlamm bedeckt. Piontek trug die Lebensmittel; unsere einzigen Waffen waren zwei Null-acht, unsere Dienstpistolen. Am Spätnachmittag erreichten wir die Anhöhe von Rambin: Ein kleiner Bach floss zu unserer Rechten, wir machten in einem schmalen Buchen- und Eschengehölz Halt. Es schneite wieder, ein feuchter, pappiger Schnee, den uns der Wind ins Gesicht trieb. Zur Linken, etwas weiter, waren die Bahnstrecke und die ersten Häuser zu erkennen. »Hier warten wir bis zur Nacht«, sagte Thomas. Ich
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