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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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»Wir wissen nicht Bescheid, Standartenführer«, sagte Lanquenoy. »Wir haben keine Ahnung. Der Russe ist überall.« – »Die Straße muss schon blockiert sein«, sagte eine andere Stimme. »Halten unsere Truppen noch Körlin?«, fragte Thomas. »Wissen wir nicht«, sagte Lanquenoy. »Ist Kolberg noch in unserer Hand?« – »Wissen wir nicht, Standartenführer. Wir wissen gar nichts.« Thomas verlangte eine Taschenlampe und ließ sich von Lanquenoy und einem anderen Mann auf der Karte das Gelände zeigen. »Wir versuchen, im Norden durchzukommen und Körlin zu erreichen, oder notfalls Kolberg«, erklärte Thomas schließlich. »Wollen Sie mit uns kommen? In kleinen Gruppen können wir, wenn nötig, durch die russischen Linien gelangen. Sie dürften nur die Straßen und vielleicht ein paar kleine Dörfer halten.« – »Nicht, dass wir nicht wollten, Standartenführer. Wir würden schon gerne, glaube ich, aber wir müssen zu unseren Kameraden zurück.« – »Wie Sie meinen.« Thomas ließ sich eine Waffe und Munition geben, die er Piontek anvertraute. Der Himmel wurde allmählich etwas heller, eine dicke Nebelschicht füllte die Senken der Ebene zum Fluss hin. Die französischen Soldaten grüßten und entfernten sich in den Wald. Thomas sagte zu mir: »Schnell, wir nutzen den Nebel, um Belgard zu umgehen. Auf der anderen Seite der Persante, zwischen der Flussbiegung und der Straße, ist ein Wald. In dem kommen wir bis Körlin. Dann sehen wir weiter.« Ich sagte nichts, ich hatte nicht mehr die geringste Willenskraft.Wir gingen an der Bahnstrecke zurück. Der Gefechtslärm vor uns und zu unserer Rechten drang durch den Nebel und begleitete uns auf unserem Weg. Als die Bahnstrecke eine Straße kreuzte, versteckten wir uns, warteten einige Minuten und überquerten sie dann im Laufschritt. Manchmal hörten wir das metallische Geräusch von Gürtelschnallen, Kochgeschirren, Feldflaschen: bewaffnete Männer, die unseren Weg im Nebel kreuzten; wir blieben versteckt, auf der Lauer und warteten, bis sie sich entfernt hatten, ohne jemals in Erfahrung zu bringen, ob es sich um die Unseren handelte. Im Süden, in unserem Rücken, kam jetzt ebenfalls Geschützdonner auf; auch vor uns waren die Geräusche deutlicher zu hören, aber es waren vereinzelte Schüsse und Feuerstöße, einige wenige Einschläge, offensichtlich gingen die Kämpfe zu Ende. Bis wir uns der Persante näherten, kam Wind auf und vertrieb den Nebel. Wir entfernten uns von der Bahnstrecke und verbargen uns im Schilf, um die Lage zu sondieren. Die stählerne Eisenbahnbrücke war gesprengt und lag verbogen im grauen trägen Wasser des Flusses. Wir warteten eine gute Viertelstunde ab, der Nebel hatte sich jetzt fast aufgelöst, eine kalte Sonne leuchtete am grauen Himmel; hinter uns, rechter Hand, brannte Belgard. Die gesprengte Brücke schien nicht bewacht zu sein. »Wenn wir vorsichtig sind, kommen wir auf den Trägern hinüber«, murmelte Thomas. Er stand auf, Piontek folgte ihm, die Maschinenpistole der Franzosen im Anschlag. Vom Ufer aus war uns der Übergang leicht erschienen, doch als wir auf der Brücke waren, erwiesen sich die Träger als heimtückisch, feucht und rutschig. Wir mussten uns außen am Tragwerk festklammern, unmittelbar über dem Wasser. Thomas und Piontek kamen ohne Schwierigkeiten hinüber. Wenige Meter vor dem Ufer fiel mein Blick auf mein nur undeutlich zu sehendes, vom Wellengekräusel verzerrtes Spiegelbild; ich beugte mich vor, um es besser erkennen zu können, mein Fuß rutschte ab, undich fiel ihm entgegen. In meinem schweren Mantel tauchte ich im kalten Wasser einen Augenblick unter. Meine Hand stieß gegen eine Metallstange, ich packte sie und zog mich an die Oberfläche; Piontek, der zurückgekommen war, zerrte mich an der Hand auf die Uferböschung, wo ich triefend, hustend und wütend liegen blieb. Thomas lachte, und dieses Lachen machte mich noch wütender. Meine Mütze, die ich vor der Überquerung in den Gürtel gesteckt hatte, war gerettet; ich musste meine Stiefel ausziehen, um das Wasser auszugießen, und Piontek half mir, meinen Mantel auszuwringen, so gut es ging. »Beeilt euch«, flüsterte Thomas, immer noch erheitert. »Hier dürfen wir nicht bleiben.« Ich tastete meine Taschen ab, meine Hand stieß auf das Buch, das ich mitgenommen und vergessen hatte. Der Anblick der durchnässten und gewellten Seiten brach mir das Herz. Aber da war nichts zu machen, Thomas drängte mich zur Eile, ich steckte es in die Tasche

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