Die Wohlgesinnten
war kaum zu überhören, aber Blobel nahm es als Kompliment: »Hundertprozentig, Obergruppenführer, hundertprozentig.« – »Wir müssen einen entscheidenden Schlag führen«, schloss Eberhard und hob die Besprechung auf.
Ich arbeitete bereits Tag und Nacht und schlief höchstens zwei Stunden, wenn es sich einmal ergab; doch um ehrlich zu sein, trug ich nur unerheblich zur Planung bei: Darum kümmerten sich die Offiziere des Teilkommandos, die noch nicht überlastet waren (man erschoss die Politruks, die von Vogts Verhörspezialisten entlarvt worden waren, und einige zufällig aufgegriffene Verdächtige, mehr nicht). Die Besprechungen mit der 6. Armee und dem HSSPF wurden am folgenden Tag wieder aufgenommen. Das Sonderkommando schlug einen geeigneten Platz vor: Im Westen der Stadt, im Viertel Serez, unweit des jüdischen Friedhofs, aber trotzdem außerhalb der Wohngebiete, lagen einige große Schluchten, die in Frage kamen. »Dort gibt es auch einen Güterbahnhof«, fügte Blobel hinzu. »Mit seiner Hilfe können wir die Juden glauben machen, dass sie umgesiedelt werden sollen.« Die Wehrmacht schickte Landvermesser hin. Anhand ihres Berichts entschieden sich Jeckeln und Blobel für die Großmutter- oder Altweiberschlucht, an deren Grund ein kleiner Bach rieselte. Blobel rief all seine Offiziere zusammen: »DieJuden, die wir zu exekutieren haben, sind asoziale, wertlose, für Deutschland nicht tragbare Elemente. Außerdem berücksichtigen wir noch die Insassen von psychiatrischen Kliniken, Zigeuner und alle anderen nutzlosen Esser. Aber mit den Juden fangen wir an.« Aufmerksam studierten wir die Karten, es galt, die Postenketten aufzustellen, die Fahrtrouten festzulegen und die Transporte zu planen; wenn wir die Zahl der Lastwagen und die Entfernungen verringerten, konnten wir Benzin sparen; außerdem mussten wir an die Munition und die Truppenverpflegung denken; alles musste berechnet werden. In diesem Zusammenhang galt es auch, die Hinrichtungsmethode festzulegen: Blobel entschied sich schließlich für eine Variante der Sardinenpackung . Jeckeln bestand darauf, als Schützen und Wachpersonal seine beiden Orpo-Bataillone einzusetzen, was Blobel offensichtlich verdross. Außerdem gab es noch die Waffen-SS von Grafhorst und die Orpos von Hauptmann Krumme. Neben den Last-wagen stellte uns die 6. Armee auch mehrere Kompanien für die Absperrung zur Verfügung. Zwischen dem Lukjanowskoje- und dem jüdischen Friedhof, hundertfünfzig Meter von der Schlucht entfernt, wollte Häfner eine Sammelstelle für Wertsachen einrichten. Eberhard wollte unbedingt, dass die Wohnungsschlüssel eingesammelt und beschildert wurden, weil durch die Explosionen und Brände fünfundzwanzigtausend Zivilisten obdachlos geworden waren, und die Wehrmacht wollte sie schleunigst wieder unterbringen. Die 6. Armee lieferte uns hunderttausend Schuss Munition und druckte auf schlechtem grauem Packpapier Anschläge auf Deutsch, Russisch und Ukrainisch. Wenn Blobel nicht über Karten gebeugt stand, suchte er sich rastlos andere Betätigungen; mit Hilfe von Pionieren ließ er am Nachmittag die orthodoxe Mariä-Entschlafens-Kathedrale sprengen, eine prachtvolle kleine Kirche aus dem 11. Jahrhundert, mitten in der Lawra . »Auch die Ukrainer müssen eine Kleinigkeit bezahlen«,erklärte er uns später selbstzufrieden. Ich unterhielt mich kurz mit Vogt darüber, weil ich den Sinn dieser Aktion überhaupt nicht begriff; Vogt meinte, das sei sicherlich nicht auf Blobels Mist gewachsen, aber er habe keine Ahnung, wer das genehmigt oder befohlen haben könnte. »Vermutlich der Obergruppenführer. Sieht ganz nach ihm aus.« Auf jeden Fall war es nicht Dr. Rasch, den wir kaum noch zu Gesicht bekamen. Als ich Thomas in einem Flur begegnete, fragte ich ihn verstohlen: »Was ist mit dem Brigadeführer? Da scheint die Zusammenarbeit nicht zu klappen.« – »Er hat sich mit Jeckeln gestritten. Mit Koch ebenfalls.« Erich Koch, Gauleiter von Ostpreußen, war einen Monat zuvor zum Reichskommissar der Ukraine ernannt worden. »Weswegen?«, fragte ich. – »Erzähl ich dir später. Auf jeden Fall wird er nicht mehr lange bleiben. Übrigens, eine Frage: Die Juden im Dnepr, wart ihr das?« Am Vorabend waren alle Juden verschwunden, die sich zum Sabbat in die Synagoge begeben hatten. Man hatte ihre Leichen am Morgen im Fluss entdeckt. »Die von der Sechsten beklagen sich«, fuhr er fort. »Sagen, solche Operationen würden die Zivilbevölkerung beunruhigen. Das ist
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