Die Wohlgesinnten
stetig wachsende Pfütze. Häfner schob den Kopf vor und knurrte zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Trotzdem, was für eine Scheiße. Kümmern Sie sich um den Bericht für den Standartenführer?« – »Nein, Sie sind der Chef des Kommandos. Sie schreiben ihn, und ich zeichne als Zeuge gegen. Und machen Sie mir auch Durchschläge für Amt III.« – »Einverstanden.« Dann ging ich, um mich endlich umzuziehen und eine Zigarette zu rauchen. Draußen rauschte der Regen immer noch, als wollte er niemals aufhören.
Wieder schlief ich schlecht; offenbar gehörte das zu Peresjaslaw. Die Männer grunzten und schnarchten; kaum war ich eingeschlafen, riss mich das Zähneknirschen des jungen Waffen-SS-Manns roh aus meinem Schlummer. In diesem zähenHalbschlaf vermischte sich Otts Gesicht im Wasser mit dem Schädel des russischen Soldaten: Ott, in der Pfütze liegend, riss seinen Mund weit auf und streckte mir die Zunge heraus, eine dicke Zunge, rosa und frisch, als fordere er mich auf, ihn zu küssen. Verstört, erschöpft wachte ich auf. Beim Frühstück bekam ich wieder diesen Husten, dann heftige Übelkeit; ich suchte einen leeren Korridor auf, würgte aber vergeblich. Als ich wieder in die Messe kam, erwartete mich Häfner mit einem Fernschreiben: »Charkow ist gerade gefallen, Hauptsturmführer. Der Standartenführer erwartet Sie in Poltawa.« – »In Poltawa?« Ich wies auf die regenüberströmten Fenster. »Jetzt übertreibt er aber. Wie soll ich denn dahin kommen?« – »Die Züge verkehren noch zwischen Kiew und Poltawa. Wenn die Partisanen sie nicht zum Entgleisen bringen. Über die Rollbahn geht ein Konvoi nach Jagotin ab; ich habe die Division angerufen, sie nehmen Sie gerne mit. Jagotin liegt auf der Strecke, dort können Sie versuchen, einen Zug zu bekommen.« Häfner war wirklich ein außerordentlich tüchtiger Offizier. »Gut, ich sage meinem Fahrer Bescheid.« – »Nein, Ihr Fahrer bleibt hier, der ›Admiral‹ kommt niemals bis Jagotin durch. Sie fahren per Lastwagen auf der Rollbahn. Ich schicke den Fahrer mit dem Wagen nach Kiew, sobald es möglich ist.« – »Gut.« – »Der Konvoi bricht mittags auf. Ich gebe Ihnen die Meldungen für den Standartenführer mit, auch den Bericht über Otts Tod.« – »Gut.« Ich ging packen. Dann setzte ich mich an einen Tisch und schrieb einen Brief an Thomas, in dem ich ihm den Zwischenfall vom Vortag ohne Umschweife schilderte: Du mußt mit dem Brigadeführer reden, denn ich weiß genau, daß Blobel nichts unternehmen wird, außer sich aus allem rauszuhalten. Es müssen aber Konsequenzen gezogen werden, wenn es sich nicht wiederholen soll. Ich steckte den Brief in einen Umschlag und legte ihn zur Seite. Dann suchte ich Ries auf. »Hören Sie, Ries, Ihr kleiner Pimpf da, der Zähneknirscher.Wie heißt er?« – »Sie meinen Hanika? Franz Hanika. Der, den ich Ihnen gezeigt habe?« – »Ja, den meine ich. Können Sie mir den überlassen?« Verblüfft hob er die Augenbrauen. »Ihnen überlassen? Wozu?« – »Ich lasse meinen Fahrer hier zurück; und mein Bursche ist in Kiew geblieben, ich brauche einen neuen. Und in Charkow wird man ihn separat unterbringen können, dann kann er niemandem mehr auf die Nerven fallen.« Ries sah hoch beglückt aus: »Hören Sie, Hauptsturmführer, wenn Sie es ernst meinen … Ich hätte wahrhaftig nichts dagegen. Ich muss den Obersturmführer fragen, aber ich glaube nicht, dass er Einwände hat.« – »Gut. Ich sage Hanika Bescheid.« Ich fand ihn in der Messe, wo er Kochtöpfe scheuerte. »Hanika!« Er nahm Haltung an, und ich sah einen blauen Fleck auf einem seiner Backenknochen. »Ja?« – »Ich breche in einer Stunde nach Poltawa auf, von dort geht es nach Charkow. Ich brauche einen Burschen. Wollen Sie mitkommen?« Sein malträtiertes Gesicht hellte sich auf: »Mit Ihnen?« – »Ja. An Ihrer Tätigkeit wird sich nicht viel ändern, aber wenigstens haben Sie die anderen nicht mehr auf der Pelle.« Er strahlte wie ein Kind, das unerwartet ein Geschenk bekommt. »Packen Sie Ihre Sachen«, sagte ich.
Die Fahrt im Lastwagen nach Jagotin ist mir als ein ununterbrochener Dämmerzustand in Erinnerung, eine endlose Kette von verworrenen Träumen. Die Männer waren, um die Laster zu schieben, mehr draußen als drinnen. Doch so schrecklich der Schlamm auch war, der Gedanke an das, was danach kam, schreckte sie noch mehr. »Wir haben nichts, Hauptsturmführer, verstehen Sie? Nichts«, erklärte mir ein Feldwebel. »Kein warmes
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