Die Wohltäter: Roman (German Edition)
willigte der Fahrer ein. Emil war bereits ausgestiegen und sondierte die Lage.
»Hier ist ja nicht viel los«, stellte er enttäuscht fest.
Ninos sah sich um und scharrte mit seinem Fuß im Staub. Es war kein gutes Zeichen, dass keine Menschen zu sehen waren. Fast wünschte er sich, er hätte Matays Begleitung zugestimmt. Aber er hatte ihn damit überzeugt, dass er unter falscher Identität nach Miami reisen würde und ihm daher nichts zustoßen könne. Außerdem hatte Matay in Schweden noch immer den Status eines Asylsuchenden, und sein syrischer Pass würde die Amerikaner kaum dazu veranlassen, ihn herzlich willkommen zu heißen.
Sie trennten sich und betraten auf entgegengesetzten Seiten das Gässchen, das ums Haus verlief. Keiner von ihnen entdeckte Anzeichen von Leben. Als sie wieder zurückkamen, standen sie neben einer heruntergelassenen Wellblechmarkise und sahen sich eine Zeit lang wortlos an.
»Mehrere Eingänge«, brummelte Emil.
Ninos schüttelte den Kopf. »Wir brechen ein«, schlug er vor. »Das geht nicht«, entgegnete Emil entschieden. »Völlig unethisch. Und außerdem, was gibt es dort wohl zu sehen? Offensichtlich steht es doch leer. Selbst wenn wir dort ein paar Altkleider finden – wie soll es dann weitergehen?«
Ninos musste ihm zustimmen. Sie hatten den Atlantik überquert, um sich ein stillgelegtes, verschlossenes und offenbar verlassenes Lagergebäude anzusehen. Es war ein Gefühl, als hätte man eine überteuerte Niete gezogen. Der Sida-Bericht war bereits einige Jahre alt. Und was hatte Ingrid eigentlich in Wirklichkeit gesagt? Nicht viel, jetzt, wo er darüber nachdachte. Er versuchte, den Verdacht abzuschütteln, dass Ingrid sie mit Absicht auf eine falsche Spur geführt hatte. Sie fuhren mit dem Taxi zurück ins Hotel, keiner von ihnen sagte während der Fahrt etwas.
Obwohl es keinen unmittelbaren Plan B gab, gab Ninos sich noch lange nicht geschlagen. Er rief Ingrid vom Hotel aus an und berichtete von ihrem misslungenen Ausflug.
»Du musst uns mehr Informationen verschaffen«, bettelte er. »Miami ist groß. Ruf ihn an und versuche, etwas herauszufinden. Was auch immer. Wir sind nur drei Tage hier, und wir können nicht mit leeren Händen zurückfahren.«
Ninos hatte damit gerechnet, dass Ingrid protestierte, aber entweder hatte sie das Verhältnis zu ihrer Quelle etwas aufgewärmt, oder sie hörte ganz einfach an Ninos’ Stimme, wie verzweifelt er war. Er wollte nicht, dass die Reise aus der Perspektive der Morgenzeitung völlig missglückte. Und die Sensation, sich vielleicht in der Reichweite von Møller zu befinden, war einfach zu verlockend, um nicht ganz Miami abzusuchen.
Einige Stunden später rief sie an. »Fisher Island. Dort soll er sich aufhalten.«
»Wo liegt das denn?«, fragte Ninos, während er es auf dem kleinen Hotelblock notierte, der neben dem Bett lag. Aber Ingrid hatte keine Ahnung.
Nachdem er eine Zeit am Empfang verbracht hatte, wusste er mehr. Fisher Island war eine private Insel, die direkt vor Miami in der Biscayne Bay lag. Sie war Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts künstlich geschaffen worden, als die Bucht ausgebaggert werden musste, damit große Schiffe im Hafen von Miami anlegen konnten.
Fisher Island entstand ganz einfach aus dem, was ausgebaggert worden war, fünfzig Quadratkilometer Schlamm zwischen Miami und dem Atlantik.
Es klang logisch, dass Møller sich an einem Ort wie diesem niederließ, dachte Ninos. »Also muss ich ein Boot mieten, oder wie komme ich dorthin?«, fragte er den wohlwollenden Mann, der vor ihm stand.
»Es geht eine Fähre dorthin«, begann der Portier, setzte aber gleichzeitig einen bedauernden Gesichtsausdruck auf. »Aber die Insel ist privat. Niemand darf ohne die persönliche Einladung eines dort Lebenden an Land gehen.«
»Aber es gibt doch ein Hotel dort?«
»Da werden aber nur Gäste von Bewohnern aufgenommen, es sei denn, man hat über persönliche Kontakte gebucht.«
»Also muss ich mir einen solchen Kontakt zulegen, oder wie?«, fragte Ninos unbedarft.
Der Portier sah noch immer etwas beklommen aus. Er wollte Ninos’ finanzielle Situation keineswegs in Frage stellen, versuchte aber dennoch eine vorsichtige Ergänzung. »Das können Sie sicher tun, aber ich muss Sie vorwarnen: Das Hotel kostet mindestens zweitausend Dollar pro Nacht, und man muss Minimum für eine Woche buchen.«
Diese Information schüchterte sogar Ninos ein wenig ein. Natürlich war Strömmer an der Geschichte über Møller
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