Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
drinnen war kein Platz, richtig zu kämpfen. Obwohl die Wand verängstigter Körper die Werwölfinnen davon abhielt, Billi zu erreichen, blieben ihnen nur noch wenige Sekunden. Sie stieß Wassilissa aus dem zerbrochenen Fenster und achtete dabei darauf, dass sie nicht an einer der gezackten Scherben hängen blieb, die noch im Fensterrahmen steckten. Billi spürte, wie Wassilissa zur Seite trat, steckte den Arm durch das Loch und folgte ihr.
Billi landete auf einem schmalen Sims, das am Zug entlangführte. Sie streckte die Hand aus; Wassilissa ergriff sie sofort.
Keine Panik . Wie oft war ihr das eingehämmert worden? Wenn sie sich einfach an den Tunnel hielt und an den Gleisen entlangging, würde sie am nächsten Bahnhof herauskommen. Ganz einfach. Sie schaltete die Taschenlampe ein und schob sich, gefolgt von Wassilissa, auf dem Sims entlang. Sie gelangten bis zum vorderen Ende des Zugs, und Billi sprang ins Gleisbett.
»Berühre die Gleise nicht.«
Sie folgten der Biegung des Tunnels, langsam und stetig, und ließen den Zug hinter sich zurück. Bald verklang das bestialische Schreien und Kreischen, und Billis Herz, das ihr in der Brust hämmerte, rief das einzige Geräusch hervor. Ihre Hand fand eine Türklinke und drückte sie herunter: nicht abgeschlossen. Sie zog Wassilissa durch die Tür.
Ein Lagerraum. Billi musterte eine Karte des U-Bahn-Systems, die an die Wand geheftet war: Sie waren auf halbem Weg zum Bahnhof Knightsbridge. Zwei Versorgungstunnel zweigten in der Nähe ab, und wenn sie einen von ihnen nahm, konnte sie vielleicht alle Verfolger abschütteln. Aber es war ein langer Umweg. Schnelligkeit oder Sicherheit? Billi löste die Karte von der Wand und reichte sie Wassilissa, während sie den Rest des kleinen Raums in Augenschein nahm. Verschiedene Werkzeuge, Schrauben, Klebeband und anderes Maschinenbauzubehör stapelten sich auf den Regalen. Billi zog ihr Schwert und fühlte sich besser. Sie lächelte Wassilissa an.
Wassilissa legte einen Finger an die Lippen.
Die Tür war dick, aber Billi hörte dennoch das Huschen von Klauen über den Betonboden. Ein kurzes Grunzen ertönte, als etwas draußen auf dem Sims landete und schnüffelte. Billi stieß Wassilissa in eine Ecke und reichte ihr die Taschenlampe. Die Türklinke klickte, und die Tür öffnete sich leicht.
Billi rammte die Schulter gegen die Tür; ein Winseln erklang, als sie gegen das Gesicht des Eindringlings prallte. Billi sprang zurück in den Tunnel und landete mitten auf dem Brustkorb der gestürzten Werwölfin. Sie schlug zweimal zu und spürte beide Male, wie die Klinge tief eindrang. Das Monster hustete und röchelte; Billi rollte sich ab, während sich zwei weitere Werwölfinnen näherten.
»Bleib hinter mir!«, rief sie. Billi verteidigte die Tür und hielt die Werwölfinnen davon ab, Wassilissa zu erreichen. Etwas zischte durch die Luft, und Billi duckte sich, als eine der beiden ihre Klauen dorthin sausen ließ, wo sich eben noch Billis Kehle befunden hatte. Sie stieg der Werwölfin mit voller Wucht auf die langen Zehen und trat nach ihren Beinen, aber die Kreatur rollte sich ab, landete auf allen vieren, bleckte die Zähne und schnappte. Billi schlug und parierte wild mit ihrem Wakizashi, ließ niemanden vorbei. Dann erspähte sie Lichter, Taschenlampen, die durch die Dunkelheit hüpften. Hilfe war unterwegs. Polizei, Rettungsdienste, U-Bahn-Angestellte – es war ihr egal. Sie würden vielleicht nicht kämpfen können, aber sie würden ihr eine Chance verschaffen zu entkommen.
»Hierher! Hierher!«, schrie Billi. Sie musste nur noch ein paar Sekunden durchhalten. Die dritte Werwölfin, die am Kopf blutete, kam auf die Beine. Billi schlug erneut nach ihr, aber sie wehrte den Hieb ab. Nur für einen Moment war sie in ihrer Bewegung aufgehalten. Dann schwang die Werwölfin beide Arme gegen sie und riss Billi von den Füßen. Sie flog durch die Luft und prallte auf den Boden, so dass sie sich den Kopf an einem Sims stieß. Helle Funken explodierten vor ihren Augen.
»Billi!«
Billi versuchte aufzustehen, war aber in der Dunkelheit völlig orientierungslos. Der Fußboden neigte sich und wankte, und sie griff nach irgendetwas, woran sie sich festhalten konnte. Sie erspähte eine Werwölfin mit braunem Fell, die aus dem Lagerraum hervorkam und Wassilissa mit den Armen umfangen hielt. Das Licht traf auf die öligen, schwarzen Lefzen und tödlichen Reißzähne der Werwölfin, bevor Wassilissa die Taschenlampe fallen ließ, so
Weitere Kostenlose Bücher