Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
Ritter sehen konnte. Elaine saß normalerweise neben ihm, aber diesmal folgte sie Arthur in den Kreis. Die sonst so beherrschte und sarkastische alte Frau wirkte besorgt, und zum ersten Mal zuckte keine Zigarette zwischen ihren Fingern. Sie sah sich unter den hochlehnigen Stühlen um, suchte sich einen leeren neben Billi aus und setzte sich hin.
Gwaine sackte vor Schock der Unterkiefer herunter.
»Das ist Bors’ Platz«, sagte er mit schwacher, brüchiger Stimme.
»Nicht, solange er im Krankenhaus ist.« Arthur nahm seinen eigenen Platz ein. »Hier werden wir alle gebraucht.«
»Aber, Arthur, sie ist … Jüdin«, sagte Gwaine, der noch immer ungläubig die Frau auf dem Stuhl seines Neffen anstarrte.
»Das ist mir jetzt wirklich scheißegal«, erwiderte Arthur. Er sah langsam einem nach dem anderen von ihnen in die Augen. »Es war eine schlimme Nacht. Bors ist schwer verwundet worden, aber er wird es gottlob überleben.«
»Und die anderen?«, fragte Billi. Die Werwölfe hatten Dutzende angegriffen und sie alle mit Lykanthropie infiziert.
Rowland räusperte sich. »Elaine und ich waren im Crow Street Hospital, in das die Verletzten gebracht worden sind. Wir konnten unsere Kontakte dort nutzen, um sicherzustellen, dass sie mit Elaines Umschlägen behandelt werden. Sie werden wieder gesund.«
»Aber wir haben keine Zeit, uns auszuruhen und unsere Wunden zu lecken«, sagte Arthur. »Die Polenitsy haben das Mädchen.«
Elaine mischte sich ein: »Wir müssen sie zurückholen. Bald.«
Billi wurde warm und rot, als ob alle sie ansehen würden. Sie hatte Wassilissa verloren.
»Als Wassilissa noch bei uns war, hat sie vom Fimbulwinter gesprochen; sie glaubte, dass die Baba Jaga ihn auslösen würde.« Arthur spielte mit seinem Ehering, drehte ihn wieder und wieder um seinen Finger. »Sobald die Baba Jaga das Ritual des Verschlingens durchgeführt hat, wird sie mächtig genug sein, einen globalen Winter auszulösen, der viele Jahre lang dauern könnte.«
»Das Ritual kann nur in der Vollmondnacht am Samstag ausgeführt werden«, erklärte Elaine.
»Zur Hölle«, sagte Billi. Es war schon früher Mittwochmorgen. »Von heute an gerechnet in vier Tagen. Wie um alles in der Welt sollen wir sie binnen vier Tagen finden? Wir haben keine Ahnung, wo sie ist.«
»Oh, Wassilissa ist in Russland«, erwiderte Elaine. »Die Polenitsy werden sie direkt zu Baba Jaga bringen, und die alte Hexe ist Mütterchen Russland . Sie wird nirgendwo sonst sein.«
»Toll. Dann ist es ja gleich viel einfacher.« Russland war riesig. Billi konnte sehen, dass alle dasselbe dachten. Das würde der Suche nach einer Schneeflocke in der Arktis gleichkommen.
Gwaine schnaubte verächtlich. »Und wie genau sollen wir sie finden?« Er breitete die Arme aus. »Sieh uns doch an! Ein paar haarige Spinnerinnen haben uns gerade den Hintern versohlt – und das trotz des Heimvorteils! Wenn wir in ihr Revier eindringen, sind wir bloß noch Hundefutter. Das ist Selbstmord!«
»Diesmal werden wir Hilfe haben«, sagte Arthur. »Wir werden uns an die Bogatyri wenden. Romanow ist ein guter Mann; sobald er erfährt, was auf dem Spiel steht, wird er helfen wollen. Dann ist da noch Wassilissas Großmutter, die allen Berichten nach eine Weiße Hexe sein soll. Sie könnte wertvolle Informationen für uns haben. Außerdem gibt es viele Wolfsrudel in der Gegend; die Polenitsy stammen vielleicht von einem von ihnen ab.« Er stand auf und ging langsam um den Kreis aus Stühlen herum. »Zwei Trupps: Einer reist zu Wassilissas Geburtsort in Karelien, der andere nach Moskau, wo wir uns mit den Bogatyri treffen werden. Wir müssen Baba Jaga aufhalten.«
»Mit allen gebotenen Mitteln, ja?«, fragte Gwaine. Billis Augen verengten sich.
»Wir werden Wassilissa befreien, wenn wir können.« Arthur sah sich langsam im Kreis um, hielt jedoch bei Billi inne. »Aber vielleicht ist das nicht möglich.«
Kälte kroch in Billis Herz. »Und dann?«, fragte sie. Sie kannte die Antwort, brauchte aber jemanden, der sie laut aussprach.
»Wenn wir sie nicht retten können, müssen wir sie töten«, antwortete ihr Vater in seinem schlichten Ton. »Baba Jaga darf das Ritual nicht ausführen. Das ist alles, was zählt.«
»Es muss einen anderen Weg geben«, sagte Billi, der übel war. »Wir können sie nicht einfach töten.«
Arthur runzelte die Stirn. »Ich bin auch nicht glücklich darüber, Billi. Aber was ist ein Leben gegen das der gesamten Bevölkerung des Planeten? Wenn
Weitere Kostenlose Bücher