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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarwat Chadda
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sagen.«
    »Meinetwegen?«
    »Die Toten sollten sich nicht lange aufhalten. Ich sollte mich den Lebenden zuwenden.« Billi lächelte das Mädchen an. »Das klingt doch wie ein fairer Handel.«
    »Was wird mit mir geschehen? In Jerusalem?«
    »Du wirst darin unterrichtet werden, deine Kräfte zu beherrschen. Kay wurde wegen all der Stimmen in seinem Kopf beinahe wahnsinnig. Er sagte, es sei so, als hätte er ein Radio im Kopf, an dem ständig der Sender verstellt würde, das aber nie abgeschaltet war. Du wirst lernen, wie du dich schützen kannst.«
    »Und eine Kämpferin werden, wie du?«
    Billi betrachtete ihre schwieligen Hände. All die Jahre der Waffenübungen und des Einschlagens auf Holzbretter … Nicht gerade damenhaft. Sie kratzte sich die Fingerknöchel und nahm dann die Hand des Mädchens. »Man kann auf viele Arten kämpfen, Wassilissa.«
    Die beiden saßen nebeneinander in der Dunkelheit. Vor dem Fenster kratzten die Zweige des Baums an der Glasscheibe, und die alten Dachbalken knarrten. Unten hörte Billi ihren Vater und einen der anderen Ritter Stahl an Wetzsteinen schärfen.
    »Wie nennt man das?«, fragte Billi und deutete auf Wassilissas russische Puppe.
    »Eine Matrjoschka.«
    »Darf ich sie mir ansehen?«
    Wassilissa nickte, und Billi öffnete die Puppe. Die nächste war gleichermaßen kunstvoll. Jede Blume war zierlich auf das Kopftuch gemalt, und die Stickerei auf dem Kleid sah aus, als wäre sie mit einem einzelnen Haar gezeichnet worden. Die nächste Puppe entsprach der vorigen, und darin befand sich eine Steinstatuette, die mit abplatzendem Blattgold überzogen war.
    »Sie ist schön«, sagte Billi. Es war eine grob geformte Frau mit einem kleinen Kopf, großen Brüsten und breiten Hüften. Sie hatte Figuren wie diese in Museen gesehen. Es war eine Venusstatuette, ein prähistorischer Kultgegenstand, wie man ihn in ganz Europa finden konnte.
    Billi sah sich den Stein genauer an. Das Blattgold war in ganzen Stücken abgefallen, und der Stein darunter war blank poliert, wie schwarzer Obsidian. Dunkle Eisenerzadern verliefen hindurch.
    »Babuschka sagt, es sei die Göttin.«
    »Baba Jaga?«
    »Nein, nicht nur Baba Jaga.« Wassilissa nahm die Statuette wieder an sich. »Baba Jaga ist die Dunkle Göttin, die Winteralte. Aber früher oder später endet der Winter, und der Frühling kommt.« Wassilissa küsste die Statue sacht. »Die Mutter meiner Babuschka hat das hier und die Matrjoschka-Puppen ringsherum angefertigt, als sie an der Tunguska gelebt hat.«
    »Tunguska?«
    Wassilissa machte eine Handbewegung zum Fenster hin. »Draußen in Sibirien.« Sie hob die vergoldete Statuette auf. »Sie sagte immer, das hier sei magisch. Deshalb überzog sie es mit Gold.«
    »Sie klingt nach einer interessanten Frau«, sagte Billi. »Was hat die Mutter deiner Babuschka noch gesagt? Irgendetwas über Baba Jaga?«
    »Oh ja.« Wassilissa hob die Figur hoch und flüsterte: »Baba Jaga hasst uns, Billi. Für all den Schaden, den wir angerichtet haben.«
    »Welchen Schaden?«
    »Sie will die Erde so zurückhaben, wie sie war, bevor die Menschen kamen. Sie spürt die Erde; sie spürt sie so, als ob die Erde sie selbst wäre. Jedes Mal, wenn wir Bergwerke graben, schneiden wir durch ihre Haut. Wenn wir unseren Müll ins Meer kippen, gießen wir Gift in ihren Mund. Wir machen sie krank.« Wassilissa hielt die Statuette noch höher und wandte sie dem Mondlicht zu.
    »Weißt du das aus ihrem Verstand?« Wassilissa sprach mit solch schlichter Klarheit, dass Billi beinahe verstehen konnte, was Baba Jaga meinte.
    Wassilissa antwortete nicht. Sie starrte nur mit offenem Mund das Fenster an.
    Leuchtende braune Augen spähten durch die Glasscheibe. Die massige, schwarze Silhouette einer Werwölfin füllte auf einem Ast hockend den Fensterrahmen aus.
    Billi sprang auf und zerrte Wassilissa mit. Die Werwölfin zerschmetterte mit der krallenbewehrten Faust die Scheibe.
    Geheul erfüllte die Nacht draußen, und Billi hörte, wie unten etwas durch die Haustür brach.
    Billi stieß Wassilissa gerade durch die Tür, als ihr Vater die Treppe heraufeilte, das Templerschwert in der Faust.
    »Aus dem Weg!«
    Er stürmte vorbei, und als Billi einen Blick zurückwarf, sah sie, wie die Werwölfin sich durch das zerbrochene Fenster zwängte. Sie heulte Arthur an und schlug mit den Klauen nach ihm, hing aber in dem engen Rahmen fest. Arthur trat beiseite und hackte dann zweimal auf den Hals ein, bevor der Kopf sich löste. Als er zur Tür

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