Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
dem Bahnsteig, von dem aus die U-Bahn nach Westen fuhr.
Arthur wartete am unteren Ende der Treppe. Er steckte sein Handy ein.
»Elaine erwartet uns in Heathrow, mit Wassilissas Pass. Sie wird sie mitnehmen.«
»Fliegst du nicht mit?«, fragte Billi.
»Nicht, wenn die Polenitsy hier Amok laufen.«
Gemeinsam traten sie auf den überfüllten Bahnsteig hinaus.
HEATHROW – 2 MINUTEN
Der Zug fuhr ein, und sie zwängten sich hinein. Zwei Sitze wurden frei; Billi und Wassilissa schnappten sie sich. Arthur stand ein paar Schritte entfernt im Mittelgang des Waggons und behielt die Türen im Auge.
»Alles in Ordnung«, sagte Billi, ebenso sehr zu sich selbst wie zu Wassilissa, die sich immer noch an ihre Hand klammerte. Leute ragten drohend über ihnen auf, schwankten hin und her, während der Zug durch die Tunnel ratterte. »Sitz einfach still.«
Billi klappte ihr Handy auf, um nachzusehen, wie spät es war, nahm sich aber stattdessen die Zeit, das Display anzuschauen. Das Foto von ihr und Kay leuchtete hell. Billi hatte es von Kays altem Handy auf ihres überspielt. Sie wusste, dass sie das nicht hätte tun sollen, aber ihn anzusehen fühlte sich jetzt anders an. Noch vor einer Woche hätte sein Lächeln ihr wehgetan; nun spürte sie nur noch seine Wärme – seine Unterstützung.
Wassilissa blickte auf. »Es ist alles meine Schuld, nicht wahr?«
»Nein. Das hier ist ihre Schuld. Die der Polenitsy.« Billi strich ihr das feuchte Haar aus der Stirn. »Mach dir keine Sorgen. Ich lasse nicht zu, dass sie dich anrühren.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Arthur drängte sich durch die Menge. Sein Blick huschte nach links und rechts; er blieb ständig auf der Hut. »Sobald Wassilissa unterwegs ist, richten wir uns im Ordenshaus in Canterbury ein.«
Jemand rief irgendetwas. Arthur zuckte zusammen.
»Ihr beiden bleibt da«, befahl er und stürmte zurück durch den Waggon.
Wassilissa schloss ihre kleinen, kalten Finger fester um Billis und sah zu ihr hoch.
»Sie sind hier«, sagte sie mit leiser und unendlich trauriger Stimme. Tränen schossen ihr in die Augen.
Dann ging das Licht im Waggon aus.
13
Schreie ertönten. Der Waggon wurde von kleinen perlweißen Punkten erleuchtet, als die Leute versuchten, mithilfe ihrer Handys etwas zu sehen, aber alles, was dadurch erkennbar wurde, waren andere Gesichter, die starr vor Furcht waren. Billi verstärkte ihren Griff um Wassilissa, als die Menge in Bewegung geriet und Menschen miteinander zusammenstießen. Die Luft wurde stickig vor Furcht.
»Ich kann nicht atmen!«
»Raus hier!«
»Es ist eine Bombe!«
»Das sind Terroristen!«
»Macht die Türen auf!«
Es kam zu einem Gerangel, als Leute versuchten, sich durch die Verbindungstüren zu drängen, während die Menschen im nächsten Waggon dasselbe taten. Das Geschrei verstärkte sich, und irgendjemand, der umgerissen wurde, versuchte, sich an Billis Bein zu klammern.
Das Heulen ließ den gesamten Zug verstummen.
Das zweite Heulen löste das totale Chaos aus. In der brodelnden Masse panischer Passagiere war auf einmal die Hölle los. Sie wussten nicht, in welche Richtung sie rennen sollten – das Knurren und das raubtierhafte Grollen schienen von überall her zu kommen. Billi hörte das verräterische Geräusch von Klauen, die Fleisch aufrissen, und der Schrei irgendeines Menschen steigerte sich zu einem Kreischen, das einem das Trommelfell zerfetzte. Wildes Bellen war das Signal zum Angriff – dann folgte ein einziges Aufschlitzen und Beißen. Eine schwarze Silhouette mit triefender Schnauze ragte drohend empor, umgeben vom verschwommenen Licht der Handys. Die Bestie spähte den Waggon entlang und entdeckte sie, schüttelte den zottigen Kopf und spritzte so blutigen Speichel an die Decke.
» Deus vult! «
Arthur rammte die Bestie. Er schlug ihr mit dem Unterarm gegen den Kiefer und trieb ihr seinen Dolch in die Kehle. Menschen schrien rings um ihn auf, und er verschwand plötzlich in der panischen Menge.
»Wir gehen«, sagte Billi.
Sie sprang auf, packte die Haltegriffe, die über ihrem Kopf baumelten, riss beide Füße weit hoch, holte aus und traf ein Fenster. Als sie das zweite Mal zutrat, explodierte das Glas. Sie packte Wassilissa um die Taille.
»Du zuerst. Sei vorsichtig, dann klappt das schon.«
Wassilissa zögerte und umarmte sie dann. »Du hast dein Bestes getan«, sagte sie.
»Verdammt, es ist noch nicht vorbei!«, rief Billi. Sie würde nicht aufgeben. Sie würden hier herauskommen. Hier
Weitere Kostenlose Bücher