Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
schaltete es aus. »Das ist das übliche Vorgehen beim KGB .«
»Und da redest du von Vertrauen?«, schimpfte Billi. Sobald sie es gesagt hatte, bereute sie es auch schon. Iwan befand sich im Moment in einer schlimmen Lage, und sie brauchte ihn. Sie konnte es in seinen Augen sehen: Seine ganze Welt war dem Zusammenbruch nahe. Koschtschei hatte seinen Vater verraten. Die Bogatyri waren in einen Handel der übelsten Sorte mit den Ghulen verwickelt. Alles, was er zu wissen geglaubt hatte, war eine Lüge.
Billi hielt ihm die Hand. »Wir werden das schon schaffen.«
Iwan knirschte mit den Zähnen und zügelte den Zorn, der in ihm wie eine Flutwelle aufwallen musste.
»Wie sollen wir vorgehen?«, fragte er. Offenbar vertraute er im Augenblick nicht darauf, dass er selbst kühlen Kopf bewahren würde.
»So tun, als ob nichts geschehen wäre. Lass uns ins Ministerium zurückfahren und Gwaine und die anderen Templer holen.« Billi ging zurück zum wartenden Auto. »Welchen Bogatyri kannst du vertrauen? Wirklich vertrauen?«
Iwan deutete auf seinen Leibwächter. »Dimitri.«
»Sonst noch jemandem?«
»Keinem ganz sicher.«
Billi dachte darüber nach. Iwan musste mit ihnen kommen. Ein Blick von Iwan bestätigte ihr, dass auch er es wusste. Koschtschei hatte bereits versucht, ihn zu töten; das war nun offensichtlich. Er war davongestürmt, um gegen jenen Ghul zu kämpfen, und hatte geglaubt, die Bogatyri wären direkt hinter ihm. Wenn Billi ihn nicht gerettet hätte, wäre Iwan von Koschtscheis Vampir ermordet worden, und Koschtschei wäre ihn los gewesen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Keine Vorwürfe. Keine Verdächtigungen. Früher oder später würde Koschtschei sich seiner entledigen, besonders, wenn er einen Hinweis darauf erhielt, dass Iwan seiner Abmachung mit den Ghulen auf die Schliche gekommen war. Er würde alle Vorsicht in den Wind schlagen und einen direkten Mord begehen.
»Du hältst dich besser an uns«, sagte Billi.
Iwan blieb bei der Autotür stehen und betrachtete die Pistole, die er am Gürtel trug. Billi wusste genau, was er dachte. Wie gern er diese Pistole nehmen, Koschtschei den Lauf an den Kopf setzen und den Abzug drücken wollte.
»Iwan, du wirst deine Chance bekommen. Aber wir müssen erst einmal Wassilissa holen. Sie muss für uns Priorität haben.«
Iwan nickte; er ließ sich in seiner Entscheidung von seiner Ehre als Bogatyr leiten.
Billi respektierte ihn dafür mehr, als sie es je zuvor getan hatte. Sie berührte seinen Arm. »Pack nichts ein. Finde nur heraus, was du kannst – wenn Koschtschei irgendeine Spur hat, dann verrät er uns nichts davon. Wir rufen meinen Vater von einem fremden Telefon aus an und planen dann unseren nächsten Schritt.«
»Und der wäre?«
»Woher soll ich das wissen?« Sie brauchte ein Telefon. »Dad war auf der Suche nach Wassilissas Großmutter. Die Frau wusste viel über Baba Jaga. Er hofft, dass sie ihn vielleicht in die richtige Richtung weisen wird. Er glaubt, dass die Hexe in der Nähe ist; in der Gegend gibt es viele Wölfe. Aber das ist alles nur Spekulation. Wir wissen nichts sicher.«
Billi blickte zum Mond empor. Beinahe voll. Sie hatten nur noch wenige Tage.
»Wir müssen sie aufhalten, Iwan.«
Iwan öffnete die Autotür und drückte Billis Hand. »Ich werde dir helfen, Billi SanGreal.«
Ein Unfall auf der Autobahn sorgte dafür, dass sie beinahe drei Stunden brauchten, um zurück zum Ministerium zu gelangen, und Billi konnte aufgrund des Aufruhrs, in dem sich ihre Gefühle befanden, nicht klar denken.
Wie hätten sie ahnen können, dass Koschtschei ein Monster war? Dass die Bogatyri Menschenhandel betrieben? Lance hatte den Verdacht gehabt, dass man Koschtschei nicht über den Weg trauen konnte, aber beim besten Willen nicht den, dass der ganze Orden so schnell korrumpiert worden war.
Iwan hatte recht: Koschtschei musste sterben.
Aber nicht heute.
Als sie die Eingangshalle betraten, kamen sie an zwei Bogatyri vorbei; beide nickten Iwan zu.
»Du holst Lance und Gwaine. Ich hole Elaine«, murmelte Billi und warf einen Blick auf die große Uhr über der Haupttreppe. Es war zwei Uhr morgens. »Wir treffen uns in zehn Minuten im Parkhaus.«
Minuten später klopfte Billi an die Bibliothekstür.
»Elaine, bist du da drin?«
Ein Buch polterte zu Boden; Elaine starrte Billi mit auf die Stirn geschobener Brille an und rieb sich die Augen.
»Wo zur Hölle warst du?«, fragte sie. Sie packte Billi am Ärmel, zerrte sie hinein
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