Die Wolkenkinder
vielen kleinen engen Gassen.
Muffige Straßen folgten, bei denen das Sonnenlicht durch die nach oben austragenden Häuser nur stark gedämpft bis auf die schmutzige und auch nur leidlich befestigte Straße traf – man bewegte sich jetzt in einer Art ewig dunklen Schattenwelt, in der es auch noch äußerst streng nach Vergorenem, Abfall und Fäkalien roch!
„Was stinkt denn hier so?“ ekelte sich Amelie enorm, hielt sich die Nase zu und verzog ihr Gesicht ehrlich angewidert.
„Hm?“ Randolf überlegte, was er Amelie antworten sollte, denn hier kam einiges zusammen. „Zum einen bist du hier bei armen Leuten, die zum Kochen und Heizen auch schon mal getrockneten Ziegenmist verwenden, zum anderen gibt es hier keinen Abfluss. Deswegen kippen manche Leute ihre Abwässer aus dem Fenster auf die Straße und als letztes steuern wir gerade auf das Färber-Viertel zu - die schwarzen Bretteraufbauten da vorne sind Trockentürme - frag lieber nicht, mit was die so alles ihre Stoffe färben!“
Emmerich schien sein Ziel erreicht zu haben: Er schickte sich gerade an, das Badehaus, das einen äußerst zweifelhaften Ruf genoss, zu betreten.
„Na!“ grinste Dietbert breit. „Wir werden den Kerl doch nicht die ganze Zeit verfolgt haben, nur um zu sehen, dass er sein Geld bei einer Hübschlerin verplempert!“
„Bei einer was?“ fragte Amelie mit erstauntem Gesichtsausdruck nach, ahnte aber in etwa, um was es gehen könnte.
Wie erklärt man einer jungen Dame das leichte Gewerbe? Die Jungs sahen sich ratlos an, bis Dietbert, der die Frage ja schließlich aufgeworfen hatte erklärte: „Sie kommen den Begierden der Männer nach!“
Amelie wollte noch nicht ganz verstehen und schaute Dietbert weiter fragend an: “Und?“
„Na ja ... Sie geben sich den Männern für Geld hin! Ziehen sich aus, lassen sich anfassen!“
„Schon gut!“ wehrte Amelie entsetzt ab. In der Küche beim Gesinde hatte sie zwar schon entsprechende Gespräche durch Zufall mithören können, hielt es aber für unmöglich, das auch Bürger ihrer Stadt moralisch so verkommen waren. - Nun gut, wieder was dazugelernt, dafür war sie ja heute schließlich aus ihrem behüteten Leben ausgebrochen.
„Und was nun?“ wollte Lothar ziemlich ratlos wissen.
„Einer muss hinterher!“ legte Randolf entschlossen fest.
„Warum willst du hinterher?“ fragte Dietbert gelassen. „Willst du ihm beim ...“ - Dietbert hatte in Gegenwart der Comtesse plötzlich ein Formulierungsproblem – „Willst du ihn mit einer dieser Damen auf dem Lager beobachten?“
Amelie schaute ernst von einem der Jungs zum anderen, war sie sich doch im Moment überhaupt nicht sicher, wie seriös ihre Begleiter waren.
„I wo!“ fuhr Randolf Dietbert scharf an. „Red’ hier nicht so ein Blödsinn! Du weist genau, was dieser Lump letzt abends in dieser dunklen Ecke seinem Knecht so alles vorgeprahlt hat, was er machen würde, wenn er erst einmal die Macht hätte ...“
„Was geht hier eigentlich vor?“ mischte sich Amelie ziemlich erbost in das Gespräch ein. „Erst habt ihr die Rede von Hübschlerinen und jetzt erzählt ihr was von dunklen Ecken und Macht übernehmen! Wie soll ich das alles verstehen?“
„Mach dir keine Sorgen, Amelie“, beruhigte Randolf. „Ich erkläre dir später alles in Ruhe. Aber im Moment ist es mir wichtiger, den Kontakt zu Emmerich nicht zu verlieren, deshalb kann ich mich nicht mit langen Reden aufhalten. Ich muss sofort hinterher!“
Während Randolf also Emmerich in das Badehaus folgte, zogen sich die anderen drei in einen Feuerspalt zwischen zwei Fachwerkhäusern zurück, von dem aus sie fast die komplette ausladende Fassade inklusive des Eingangs des tempelartigen Gebäudes kontrollieren konnten, in dem Randolf gerade verschwunden war.
Innerhalb dieses Tempels der Begierden war es angenehm kühl, aber nicht besonders hell. Randolf streifte an den marmorverkleideten Wänden der Flure entlang, immer in der Angst entdeckt zu werden. Er hatte schon an einigen Türen gelauscht, aber nirgends war etwas Verdächtiges zu hören gewesen. Er wieselte eine breite Steintreppe empor und gelangte in einen weiteren Gang, als er plötzlich Emmerichs Stimme hörte: „Du weißt also Bescheid: Morgen, bei den Dolmen im Wald! Bring’ die Neuen mit! Ich werde euch meine neuesten Pläne vorstellen! Alles klar?“
„Alles klar!“ war eine tiefe
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