Die Wolkenreiter Bd 3 - Herrscherin der Lüfte
jeden Flügelschlag, die Bewegung der Hufe, den Umgang mit den Zügeln und die Haltung der Stiefel achtete.
In dem Moment zischte eine Kanonenkugel erschreckend dicht über den Bug des Bootes hinweg und fiel drei Stocklängen entfernt auf der Steuerbordseite ins Wasser. Amelia drückte Mahagonis Kopf dicht an sich und murmelte ebenso zu seiner wie zu ihrer eigenen Beruhigung: »Hab keine Angst, Lieber. Hab keine Angst.«
Die Marinan hatte es beinahe geschafft, die Kanonen auf der Steuerbordseite schwangen herum, und die blau gekleideten Matrosen richteten sie auf die Patrouillenboote. Aber die Angreifer segelten ungerührt weiter und hatten offenbar vor, sich zwischen die Widderkopf und das Schiff aus Kleeh zu schieben.
»Winnih!«, schrie Amelia. »Sehen Sie das?«
Winnih, der geldgierige Kapitän, kämpfte mit seinem Segel, versuchte fluchend, das kleine Boot zu wenden, und schwitzte trotz des kalten Windes. Gischt spritzte über das Deck und durchnässte Amelias schmutzigen Rock. Auch Mahagoni war voll Salzwasser, blieb jedoch ungerührt stehen und stemmte die Hufe fest gegen die rutschigen Bretter. Sein muskulöser Hals zitterte an Amelias Schulter, als er gegen die Bewegung des Bootes anarbeitete. Einmal rutschte ihr Fuß weg, und sie glitt zur Seite. Sie griff nach Mahagonis Mähne, und er legte das Kinn um ihren Körper, als wolle er sie festhalten. Als sie sich wieder gefangen hatte, umklammerte sie seinen Hals und flüsterte ihm dankbar Zärtlichkeiten ins Ohr. Mehr konnte sie nicht tun.
Einen Augenblick später bemerkte sie, dass die Marinan das Feuer eingestellt hatte. Sie spähte an Mahagonis Mähne und Stirnschopf vorbei und sah die Soldaten hinter den Kanonen an Deck. Hinter ihnen standen wie angewurzelt blau uniformierte Offiziere und warteten.
Das taten sie wegen der Widderkopf . Sie zwinkerte und versuchte zu erkennen, wer von den Offizieren ihr Vater war. Er würde versuchen, Winnih die Chance zu geben, hinter die Marinan zu kommen, wo die Kanonenkugeln ihn nicht erreichen konnten.
Amelia bemerkte, dass auf der Hafenseite der Marinan ein Beiboot ins Wasser gelassen wurde, doch das half ihr und Mahagoni nicht weiter. Der Junghengst war viel zu schwer für das Boot, und ihr Vater wusste bestimmt, dass sie es niemals im Stich lassen würde.
Eine graue Rauchwolke blähte sich auf, als eine weitere Kanone abgefeuert wurde. Amelia und Mahagoni zuckten gleichzeitig zusammen, als der Knall sie erreichte. Amelia blickte über ihre linke Schulter und sah, dass die Patrouillenboote bereits sehr nah waren. Sie schrie auf.
Ein drittes Geflügeltes Pferd erschien über der Bucht und kam schnell näher. Die glänzenden roten Flügel, die perfekt eingerollten Hufe und der elegante Kopf von Wintersonne waren in der fahlen Sonne unverkennbar. Niemand hatte eine bessere Haltung und saß besser im Flugsattel als Philippa Winter. Sie und Wintersonne kamen dem mysteriösen grauen Pferd näher, das erneut ins Trudeln geriet, sich fing und wiederum gefährlich schwankte. Lark und Schwarzer Seraph flogen weiter direkt auf das Patrouillenboot zu, das der Widderkopf am nächsten war.
»Oh nein, Lark«, schluchzte Amelia. »Tu das nicht!«
Lark und Seraph wollten das Patrouillenboot ablenken, damit die Widderkopf Zeit hatte, hinter die Marinan zu kommen.
»Oh nein!«, schrie Amelia mit brüchiger Stimme noch einmal. Sie hätte am liebsten das Gesicht in Mahagonis Mähne vergraben und einfach weggeschaut, doch das konnte
sie nicht. Sie musste zusehen, was geschah. Wenn Lark sich so mutig einem solchen Risiko aussetzte, musste sie es auch. Sie war eine Riehs. Und wenn Kalla es wollte, würde sie eines Tages eine Pferdemeisterin sein.
Pfeile waren die gefährlichste Flugfigur überhaupt. Lark hatte ein Dutzend Vorträge von Meisterin Tänzer darüber angehört. Sie und Tup hatten es erst zweimal unter der sorgsamen Aufsicht von Meisterin Tänzer versucht.
Es war die letzte Figur, die die Fliegerinnen der dritten Klassen bei der Prüfung für das Abzeichen der Silbernen Flügel vorführen mussten. Aber genau für Situationen wie diese waren die Pfeile gedacht. Jede Pferdemeisterin hoffte, dass sie die Pfeile niemals brauchen würde, doch jede war auf den Ernstfall vorbereitet.
Und Lark war auch noch im Begriff, sie ohne Sattel zu probieren.
Sie legte ihre Hand auf Tups Hals. Als er direkt über dem Patrouillenboot die Geschwindigkeit bremste, spürte sie an der Art, wie er den Hals streckte, und an den
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