Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
Senyoreta Dolors, Sie bringen mich zum Staunen, keine andere ist so wie Sie, normalerweise haben Frauen ja keine Ahnung von diesen Dingen, aber Sie sind unglaublich klug. Damit ist es gar nicht so weit her, hatte Dolors mit hochrotem Kopf erwidert, und überhaupt: Schauen Sie sich selbst doch an, Arbeiter beschäftigen sich für gewöhnlich auch nicht mit solchen Themen. Darauf sah Antoni sie vorwurfsvoll an und entgegnete zögerlich, so als würde er versuchen, sie so wenig wie möglich zu verletzen, wir Arbeiter haben für so etwas nur keine Zeit, und überdies kümmert sich auch niemand darum, uns irgendetwas beizubringen. Mit Müh und Not reicht unsereins der Lohn, um die Familie zu ernähren und den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Und die Frauen sind noch schlechter dran, dennsie verdienen noch viel weniger. Den alles entscheidenden Stoß krönte Antoni dann noch mit den Worten: Ich selbst habe keine Familie, deshalb kann ich tun und lassen, was ich will, aber auch ich bin, ehrlich gesagt, nach der Arbeit hundemüde.
Im Leben eines jeden gibt es wohl drei, vier Ereignisse, die einen im Innersten berühren und an die man sich genau erinnert, komme, was wolle. Und dies war eines davon in Dolors’ Leben. Bis heute steht ihr klar vor Augen, dass ihr Gesicht hochrot vor Scham wurde und sie einen so heftigen Seelenschmerz verspürte, dass er ihr die Luft abschnürte; doch genau dieser Schmerz brachte ihr Innerstes plötzlich zum Leuchten und machte es für alle Farben des Regenbogens und für alle himmlischen Sphärenklänge empfänglich. Ich wollte nicht …, versuchte sie zu stammeln, doch es kam ihr nicht so recht über die Lippen, weil sie mit bangem Herzen feststellen musste, dass es um sie geschehen war und sie sich soeben rettungslos verliebt hatte.
Und genau diese Verliebtheit war letztendlich die Ursache für alles, was ihr eigenes Leben und das der Menschen ihrer nächsten Umgebung entscheidend geprägt hatte. Bei dem Gedanken daran seufzt Dolors auf.
Die Hüften
Also, Hüften hat das Kind ja keine. Obwohl … eigentlich wird genau umgekehrt ein Schuh draus: Sandras Hüften sind das Einzige, was von ihrer Figur zu sehen ist, denn Knochen können ja nicht abnehmen. Dolors wird nicht viel Wolle benötigen.
Sandra hat die Maße einer Puppe, ihr würden sicher die Kleider von diesen großen Puppen passen, die in den Schaufenstern stehen. Natürlich nicht die ihrer heißgeliebten Nancy. Dolors lächelt. Oder gar die von einer Barbie. Ach, was hatte das Kind damals gebettelt, liebstes, liebstes Omilein, schenkst du mir zu Weihnachten eine Barbie? Verwundert war Dolors zu Leonor geeilt, weil sie nicht wusste, was das war. Das ist ja nicht zu fassen, so eine Göre!, hatte ihre Jüngste ärgerlich gerufen, tut mir leid, Mama, ich hab ihr gesagt, dass sie die von uns auf keinen Fall bekommt, und deshalb versucht sie’s jetzt bei dir. Was ist denn eine Barbie?, hatte Dolors gefragt. Ach, so eine neumodische Puppe, war Leonors unwirsche Antwort gewesen. Das hatte sie noch mehr erstaunt, sodass sie ihre Tochter einen Moment lang nur sprachlos anstarren konnte, während Leonor schnell über ihre neue Bettwäsche zu reden begann, um weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen.
Doch da kannte sie ihre Mutter schlecht: Dolors ließ sich nicht so leicht ablenken. Sie hatte sie allerdings fast zwingen müssen, ihr ihre patzige Reaktion zu erläutern. Seufzend war Leonor schließlich mit der Sprache herausgerückt: Jofre möchte nicht, dass die Kleine damit spielt; sie habe ja auch schon diese andere neumodische Puppe, diese Nancy, wegen der sie selbst schon ganz albern geworden sei. Da blieb Dolors nun wahrlich die Spucke weg: Dass sich ihr Schwiegersohn um so etwas kümmerte, das sprach für ihn, das hätte sie ihm gar nicht zugetraut! Offenbar war Jofre doch kein solcher Unmensch, wie es den Anschein hatte; er sorgte sich wenigstens um die Erziehung seiner Tochter und gab acht, welche Spielsachen sie hatte und welchen Einfluss die auf sie ausübten, Donnerwetter!
Dolors wollte Jofre im Geiste schon einen funkelnden Orden für väterliche Verdienste an die Brust heften, musste dann jedoch den traurigen Tatsachen ins Auge sehen, dass ihr Schwiegersohn nicht nur ein großspuriger Nichtsnutz war, sondern darüber hinaus auch noch sein Fähnchen nach dem Wind hängte. Du weißt doch, Mama, wie Lehrer sind, ihren Argusaugen entgeht nichts, die nehmen den Lebensstil und die Kindererziehung der Kollegen
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