Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
Vom Netzwerk:
beschlug. Sie konnte nichts mehr sagen. Sie vertraute darauf, dass er die anderen Teile zusammenfügte: Er musste verstehen, dass er nicht nur sein Geschäft gefährdete, wenn er mit ihr zusammen war, sondern auch seinen Platz in der Gesellschaft, den seiner zukünftigen Kinder und sein Lebensglück als jemand, der Teil des Kerns, des pochenden Herzens von Tarrytown sein wollte. Er hatte es verdient, bis ins hohe Alter hinein glücklich zu sein.
    »Willst du mir sagen, dass du es beenden möchtest?«
    Nein!, schrie sie innerlich. Ich will sagen, dass ich so etwas noch nie zuvor empfunden habe und dass ich nicht weiß, ob ich je wieder so empfinden werde, und dass ich meine Stricknadeln gleich morgen in den Fluss werfen würde, wenn ich nicht bereits Tarrytown versprochen wäre und nur einen Moment daran glaubte, dass du dann bei mir sein könntest – ohne das Leben, das du dir wünschst, aufs Spiel zu setzen.
    Ihr saß ein Knoten im Hals, und sie erstickte beinahe an den Worten, die sie nicht aussprechen konnte. Wollte sie es beenden? Natürlich nicht. Aber sie sagte: »Vielleicht ist es das Beste.«
    Er schwieg.
    »Es hat wirklich … Spaß gemacht«, fügte sie hinzu. Ihre Stimme versagte unter der Lüge. Das hier war kein Spaß.Trampolinspringen machte Spaß. Kugelbäder machten Spaß. Das Gefühl, ihr werde jedes Mal das Herz aus der Brust gerissen, wenn Vic sie ansah – das war kein Spaß.
    Sie wusste, was gerade geschah: Sie war dabei, sich zu verlieben, sich fallenzulassen. Und ein fallendes Herz war wie jedes andere fallende Objekt: Je länger es hinabstürzte, desto schneller wurde es, schneller und schneller, mit sich von selbst verdoppelnder, verdreifachender, vervierfachender Geschwindigkeit. Und sie wusste, dass es wohl das Beste war, es aufzuhalten, dieses der Schwerkraft trotzende Gefühl des Fallens, denn je länger sie wartete, desto härter und heftiger wäre der Aufprall, wenn sie – genau wie er – am Ende unweigerlich auf dem Boden aufkam.
    »Ich will dich niemals aus meinem Leben verlieren«, sagte sie und bemühte sich angestrengt, nicht zu weinen. Wenn sie die Augen schloss, sah sie seine Zukunft vor sich: seine Kinder und seine Frau, allesamt glücklich, bei einem herbstlichen Football-Spiel, mit all ihren Freunden und Nachbarn um sie herum versammelt. Ihre Kehle brannte. »Aber vielleicht ist es besser, wenn wir nur Freunde sind. Weißt du, wir haben vollkommen verschiedene Lebenswege vor uns. Wir steuern in unterschiedliche Richtungen.«
    Er seufzte. Das Geräusch war ein sanftes Loslassen.
    »Du kannst darüber nachdenken. Du musst dich nicht sofort entscheiden«, sagte sie.
    »Wie großzügig, dass ich keine Deadline habe«, erwiderte er.
    Sie wartete. Der Moment zog sich in die Länge. Ihr kam in den Sinn, dass Hoffnung eine Art Selbstfolter sein konnte, denn sie ersehnte immer noch, dass er sagen würde: Es gibt keine Entscheidung zu treffen, oder: Ich muss nicht darüber nachdenken, um sie dann so fest und innig zu küssen, dass sie beide vergaßen, dass dieses unangenehme Gespräch je stattgefunden hatte.
    Doch stattdessen sagte er: »Vielleicht müssen wir beide erst einmal nachdenken.«
    Sie nickte und blinzelte, um die Tränen zu vertreiben. Sie versuchte, ihn freundlich anzulächeln, vermutete jedoch, dass sie damit scheiterte. Mit einem tiefen Seufzer stieß sie die Tür auf und stieg aus dem Wagen. Vic wartete nicht, bis sie sicher im Haus war. Der Motor brummte laut, als er abfuhr, und dann waren da nur noch die Kälte, der Geruch nach Holzkohle und Frost und die Strickerei, die wie ein düsterer, zerklüfteter Berg in ihrem Rücken aufragte, während sie Vics Bremslichter aufleuchten sah.
    Aubrey wischte sich mit ihren Fäustlingen die Tränen aus dem Gesicht. Sie blickte zur Strickerei hinauf und starrte sie aus feuchten, stechend blauen Augen an.
    »Ich hoffe, du bist zufrieden«, versuchte sie zu sagen, doch ihre Worte brachen wie das Eis auf dem Fluss, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich ins Haus zu schleppen.
    * * *
    Am späten Nachmittag, direkt nach Sonnenuntergang, war Meggie auf das Dach der Strickerei geklettert. Sie hatte das Fenster des Zimmers aufgestoßen, das einst ihrer Mutter gehört hatte, und war dann vorsichtig die steile, grobkörnige Schräge hinaufgeklettert. Nun lag sie auf die Ellbogen gestützt und mit überkreuzten Füßen auf dem Dach und blickte über den weit dahinströmenden, glänzend schwarzen Fluss. Im Süden konnte sie in der

Weitere Kostenlose Bücher