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Die Wuensche meiner Schwestern

Die Wuensche meiner Schwestern

Titel: Die Wuensche meiner Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa van Allen
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einem langen Strom entweichen. Sie drehte sich vom Spiegel weg, um Aubrey anzusehen. »Ich sollte dir wohl danken.«
    »Wofür?«
    »Dafür, dass du Nessa nichts über die Strickerei erzählt hast, bevor ich selbst Gelegenheit dazu hatte. Dafür, dass du mir ermöglichst, es auf meine eigene Weise zu tun.«
    »Das ist doch selbstverständlich«, erwiderte Aubrey.
    Bitty wandte sich erneut dem Spiegel zu und nahm die Bürste wieder auf. Sie fragte: »Also, was willst du heute bei deiner Verabredung anziehen?«

Kapitel 13
    Nimm dir Zeit für eine Maschenprobe
    Am Ende machten Aubreys Schwestern doch noch einen großen Wirbel um sie – und es war einfach wunderbar. Aubrey sagte all die Dinge, die von ihr erwartet wurden: Ihr müsst das nicht tun, und: Ist schon in Ordnung . Aber in Wahrheit genoss sie das Gekichere und Gegackere ihrer Schwestern, und wie diese dafür sorgten, dass sie eine Kleinigkeit aß, um später nicht zu kräftig zuzulangen, wie sie über ihre Kleidung und Frisur beratschlagten, darauf bestanden, ihr die Fußnägel zu lackieren, und nicht zuließen, dass sie ihre baumwollene Oma-Unterwäsche trug, obwohl diese viel bequemer war als der eine Tanga, den sie besaß. Zum ersten Mal seit langer Zeit gehörten sie wieder zusammen. Und Aubrey hatte all ihre Ratlosigkeit in Sachen Romantik auf den Tisch gebracht und tausend Fragen zu den richtigen Schuhen und Klamotten und den Regeln fürs erste Date gestellt, bis ihr das Gesicht vor Lachen weh tat und ihre Schwestern beschlossen, sie einen Moment allein zu lassen.
    Nun betrachtete sie sich im Schlafzimmerspiegel. Sie trug dunkle Leggings und einen weißen Kaschmirpullover, der ihr über eine Schulter rutschte und dabei einen engelsgleichen Heiligenschein zu zeichnen schien. Die Ohrringe, die sie sich von Meggie geliehen hatte, waren schmale silberne Fäden, die ihren Hals grazil und lang wirkenließen. Ihr Aussehen hatte nur einen einzigen Makel. Selbst üppig aufgetragener Mascara und Eyeliner – Nessas Werk – vermochten das blaue Leuchten ihrer Iris nicht zu dämpfen. Aubrey konnte deren fürchterliches Blau selbst nicht wahrnehmen, was beinahe das Schlimmste an der ganzen Sache war. Aber sie wusste, dass ihre Augen wie zwei tief in ihren Höhlen sitzende blaue Flammen leuchteten. Eine Horrorshow.
    Sie seufzte. Mariah hatte immer gesagt, sie solle stolz auf ihre Augen sein: Gott zündet kein Licht an, damit du es unter den Scheffel stellst . Aber hatte sie eine andere Wahl, als ihre Brille mit den dunklen Gläsern zu tragen? Aubrey wusste, wie die Leute sie ansahen. Und sie wollte, dass Vic sie anschauen konnte, ohne sich zu erschrecken.
    Sie nahm die Brille vom Toilettentisch und klemmte sich die dicken Plastikbügel hinter die Ohren.
    »Okay«, sprach sie sich laut Mut zu. »Kein Grund für Pessimismus. Vic weiß längst, dass du sonderbar bist, und er mag dich trotzdem. Also entspann dich.« Sie schüttelte ihre Arme und Beine aus wie ein Boxer, der sich für den Kampf aufwärmt. Sie war nicht wie andere Achtundzwanzigjährige. Ihr Leben war kompliziert. Und Vic würde Erwartungen haben, bestimmte Erwartungen romantischer Natur, die sie womöglich nicht erfüllen konnte. Sie fragte sich, ob sie ihn vielleicht warnen sollte.
    »Entspann dich«, befahl sie sich erneut.
    Die Türklingel trällerte wie ein kranker Zaunkönig.
    »Aubrey!«, zwitscherte Nessa die Treppe hinauf. »Dein Lov-vah ist da!«
    Aubrey verharrte einen Moment lang reglos. Sie betrachtete sich im Spiegel und dachte: Das ist nicht mein Leben. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, dass das Universum aus dem Gleichgewicht geraten sein müsste, damit etwas so Wundervolles und so Richtiges geschehen konnte.
    Aber am Fuß der Treppe war tatsächlich Vics lautes Lachen zu hören. Dazwischen der Chor weiblicher Stimmen und Carsons leise klimperndes Kichern. Mit einem Mal schien die Strickerei angefüllt mit Möglichkeiten und ganz anders als das ewig gleiche alte Gebäude, das sie und Mariah und Dutzende andere Hüterinnen vor ihnen ihr Zuhause genannt hatten.
    Hiermit geht etwas zu Ende, schien die Strickerei zu flüstern.
    Nessa rief noch einmal ihren Namen.
    »Ich komme!«, antwortete sie und machte sich auf den Weg nach unten.
    * * *
    Nessa hatte sich in die Strickerei verliebt. Das Haus ihrer Mutter war zwar viel schöner: Dort stand jede Wand in einem exakten rechten Winkel zum Fußboden, alle Arbeitsplatten waren aus funkelndem schwarzem Granit, und alle Zimmer waren durch ein

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