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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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erinnerte.
    »Wow!« Adrian grinste. »Das ist ein Wort. Und mir fällt auch sofort was ein.«
    Sie gab ihm die Unterlagen zurück, die er achtlos in die Jacke stopfte. »Dann lass mal hören.«
    »Du bist hier fertig, so wie es aussieht, also lass uns verschwinden. Ich hab Hunger und Lust auf einen Döner.«
    Sie rutschte von der Tischkante und hängte den Rucksack über die Schulter. »Und den zahle dann ich?«
    »War zwar so nicht gedacht, aber gute Idee.«
    »Na dann – mir nach!«
    Lauschend stand sie einen Augenblick mitten im Flur. Oben hörte sie gedämpft die Stimmen von Eberhard und Anneliese.
    »Bis morgen, Moosis!«, rief sie die Treppe hinauf und verschwand dann mit Adrian durch die Hintertür ins Freie.

* * *

    Er wusste, dass es riskant war, hier aufzutauchen. Verdammt riskant. Bilanow hatte ihm eingebläut, er dürfe sich auf keinen Fall blicken lassen, wegen der Sache mit der Versicherung und wegen Westermann. Trotzdem hoffte Jürgen, ihn im Büro sitzen zu sehen . Ihn vielleicht allein erwischen zu können. Es waren bessere Zeiten gewesen, als sie einander kennengelernt hatten. Da hatten auch die Russen noch mit ihm gefeiert, ihn Towarischtsch genannt, ihn wie ihresgleichen behandelt. Jetzt war er sich längst nicht mehr zu schade, um einen Job zu betteln. Egal um welchen. Aber vom Chef gab es keine Spur, stattdessen entdeckte er durch das Fenster einen der Geldeintreiber. Den Großen, den er besonders fürchtete. Das war kein gutes Zeichen. Jürgen fuhr sich zitternd mit dem Handrücken über die Nase und duckte sich tiefer, hinter das Gebüsch.
    Sonntag, hatte László bei ihrer letzten Begegnung gesagt, als er ihm das rettende Briefchen zugesteckt hatte, und dass er das Maul halten müsse. Den Sonntag müsse er noch überstehen, dann würde László sich selbst freikaufen und danach auch ihm aus dem Schlamassel helfen.
    Aber darauf konnte Jürgen nicht warten. Er musste seine Nerven beruhigen und zwar schnell. Er brauchte Geld. Und wenn bei Henry nichts zu holen war, dann vielleicht hier. Und wenn es hier keinen Job für ihn gab, dann musste er eben flexibel sein, einfallsreich und schnell umdisponieren. Er hatte keine Zeit zu verlieren. Wenn der Affe erst richtig zuschlug, war es zu spät, noch einen klaren Gedanken zu fassen.
    Sein Blick glitt über die glänzenden Wagen. Ein Auto zu stehlen war keine Kunst. Schon gar nicht ein schlecht gesichertes vom Parkplatz eines Händlers. Der Gedanke gefiel ihm; auch wenn er für einen Gebrauchten nicht viel kriegen würde. Nicht genug, für den Einsatz, den er gebraucht hätte, um einen richtig großen Wettgewinn einzusacken. Aber László wollte sowieso nicht, dass er auf dessen Kampf setzte. Zu auffällig, wenn sie das beide mach ten, hatte László gesagt. Zu gefährlich. Von dem Autoklau würde László auch nicht begeistert sein. Aber das war Jürgen egal. Das ging László nichts an. Der Busch zerkratzte sein Gesicht. Er spür te es kaum. Das Geld konnte zumindest das Zittern für eine Weile beseitigen. Er musste nur in Deckung bleiben, bis alle Mitarbeiter verschwunden waren. Dann hatte er freie Bahn.

* * *

    Vor der Dönerbude an der Kreuzung standen zwei Gartentische mit Metallstühlen. Ein mobiler Zaun trennte den Bereich vom Gehweg ab. Der Platz reichte gerade so, um dort zu sitzen. Einen Meter weiter rauschte der Verkehr, wenn er sich nicht gerade vor der Ampel staute. Inzwischen regnete es nicht mehr, die Stühle waren notdürftig abgewischt und mit trockenen Polstern versehen.
    Den Döner in der Hand klemmten sich Henry und Adrian auf die letzten freien Plätze. Es war kalt, und außer ihnen hockten nur ein paar Raucher frierend herum. Drinnen lief der Fernseher, und ein türkischer Schnulzensänger erfreute lautstark sein Publikum. Henry steckte die Füße zwischen die Kunststoffzaunlatten, stützte die Ellbogen auf die Knie und zog mit den Zähnen ein Stück Fleisch aus dem Brot. Schweigend kauten sie eine Weile, und Henry beobachtete fasziniert, wie der komplette Döner in Adrian verschwand, ehe sie den ihren auch nur zur Hälfte gegessen hat te.
    »Wolfshunger, der Herr Wolf?«, fragte sie amüsiert, als er die Serviette zusammenknüllte. »Wie kommt’s? Hast du den ganzen Tag gefastet?«
    Eine Falte zog sich quer über seine Stirn, wie immer, wenn sie etwas sagte, was er nicht hören wollte. Aber diesmal war sie sich keiner Schuld bewusst. Er plusterte die Backen auf und ließ dann stoßweise die Luft entweichen. Dabei trommelte

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