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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Mörder. Sie zwang sich, ihn nicht länger anzustarren, auch wenn sie zu gerne in seinen Kopf sehen würde.
    »Bist du mal bei einem Polizeipsychologen gewesen?«, fragte sie vorsichtig.
    »Wieso?«
    »Na, du bist Polizist. Wenn ihr besonders unter Druck steht, schickt man euch doch dorthin. Ist das nicht so?«
    »Wenn da jeder hingeschickt würde, der unter Druck steht, wäre das Polizeipräsidium leer.« Adrian zog den Saum seines T-Shirts unter der Jacke hervor und putzte bedächtig die Gläser der Brille. »Nach einem Trauma im Dienst oder bei einer Suchterkrankung bieten sie dir Gespräche an. Kommt für mich nicht in Frage.«
    »Du glaubst nicht, dass Gespräche mit einem Psychologen helfen?«
    Prüfend begutachtete er sein Werk, polierte nach und rückte die Brille zurecht, ehe er antwortete. »Nein. Da ist nichts, worüber ich sprechen müsste. Ich stehe nicht unter irgendeinem Druck. Außerdem glauben die, wenn du nur über ein Problem redest, verschwindet es von selbst. Das ist Schwachsinn.«
    Sein finsterer Blick behagte ihr nicht. Er lachte viel zu selten und grübelte zu oft. Höchste Zeit das zu ändern.
    »Da stimme ich dir nur zum Teil zu. Willst du wissen, wie ich das sehe?« Sie erwartete keine Antwort. »Ich glaube schon, dass reden hilft. Auch wenn das Problem davon nicht verschwindet.« Schwungvoll erhob sie sich und zog ihn am Ärmel. »Und darum reden wir auch weiter. Nur lass uns ein paar Schritte gehen, sonst friert mir der Hintern ab auf dem blöden Stuhl.«
    Henry versenkte die Hände tief in die Jackentaschen, lief voraus zur Ampel und wartete dort auf ihn. »Also, reden hilft«, nahm sie den Faden wieder auf. »Aber mit wem ist gar nicht so wichtig. Wenn du zu einem Therapeuten gehst, einem Psychiater, Psychologen, was auch immer, dann stellt der Fragen, um etwas auszugraben, was deine Seele versteckt. Er manipuliert dich, bohrt in Wunden, reißt Narben auf. Wenn du Glück hast, zeigt er dir einen Weg. Wenn du Pech hast, lässt er dich damit allein. Weißt du, was viel sinnvoller ist? Sex. Als Therapie. Ich meine, am Ende packen sie doch eh alle Freud aus. Irgendwie lässt sich ja auch je des Problem zuerst auf eine emotionale und in der Folge auf eine sexuelle Störung zurückführen. Blockaden, die gelöst werden müssen, und so Zeug. Also, warum geht man dann in eine Praxis und nicht einfach in den Puff?«
    »Was?« Verblüfft blieb Adrian stehen.
    »Na, überleg doch mal! Die Frauen dort verstehen ihr Handwerk. Die tun ganz sicher etwas gegen Verkrampfungen und bringen die meisten Männer zum Reden, ohne alles zu kommentieren. Dort muss dir gar nichts peinlich sein. Die hören einfach nur zu. Zu den Seelenfuzzies trägst du haufenweise Kohle und was kriegst du dafür? Fragen, bedächtiges Kopfwiegen und eine Menge Vielleichts und Möglicherweises. Die Leistung, die du für das gleiche Geld bei einer Hure kriegst, ist konkret, handfest, eindeutig. Ein offenes Ohr und ein Abgang. Und anschließend gehst du mit einem guten Gefühl zurück in die Welt.«
    Adrian lachte laut auf. »Du warst also im Puff?«
    »Nö. Das ist nur eine Theorie. Praktisch ausprobiert habe ich es nicht.«
    »Schade, hätte gerne von deinen Erfahrungen profitiert. Ich bin trotz meines hohen Alters eher unbedarft, was solcherlei Ausschweifungen angeht. Habe irgendwie immer in mehr oder we niger festen Beziehungen gesteckt und bin dabei eine treue Seele.«
    »Verklemmt!« Henry feixte.
    »Von mir aus nenn es verklemmt.«
    »Das ist aber kein Problem, das im Moment für dich von Bedeutung ist. Auch wenn du stundenlang über Sex redest oder Sex hast, deine Leichenphobie wirst du damit nicht los.«
    »Dir ist schon klar, dass du dir gerade selbst widersprichst?«
    »Na und? Ich darf das, ich bin kein Psychologe. Außerdem hast du jetzt endlich mal wieder gelacht. Fakt ist: Sex macht mehr Spaß als eine Therapie. Dabei bleibe ich. Aber den Ängsten, die man rumschleppt, muss man sich irgendwann trotzdem direkt stellen, sonst wird man von innen aufgefressen und wird zum Zombie.« Sie riss die Augen weit auf, verdrehte sie, bis nur noch das Weiß des Augapfels zu sehen war, und streckte ihre Hände wie Klauen nach ihm aus.
    »Okay, du Zombiewächter. Was soll ich also deiner Meinung nach tun?«
    »Du weißt es ganz genau.«
    Schon wieder erstarb das Lachen, und Henry hätte ihre Worte am liebsten zurückgenommen.
    »Und du meinst, dass es dann aufhört? Ich muss nur in Elisa beths Gesicht sehen, und alles wird

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