Die Würde der Toten (German Edition)
natürlich. Aber die einzige Erklärung, die er ihr hätte geben können, war, dass Henry ihm abgeraten hatte. Ihre Argumente hatte er längst vergessen oder er wollte sich nicht erinnern, selbst das wusste er im Augenblick nicht eindeutig zu sagen. Aber Katja gegenüber Henrys Namen noch mal zu erwähnen, ver mied er lieber. So zuckte er nur die Schultern und wickelte Nudeln auf.
»Das ist reine Geldmacherei! Es ist nicht billig, eine Grabstelle zu erhalten – und das auf zwanzig Jahre. Kriegen die Bestatter da für eigentlich Provision, wenn sie das den Angehörigen aufschwatzen?«
Adrian kaute schneller, schluckte und spülte mit einem Schluck Wasser nach. »Finanziert sich locker aus Elisabeths Vermögen. Das Geld ist doch wirklich nicht das Problem.«
»Richtig.« Sie schaute ihn finster an. »Das Problem ist, dass du wieder gemacht hast, was man dir gesagt hat. Du willst partout keine eigenen Entscheidungen treffen!«
Die Anspielung war deutlich. Hier ging es um weit mehr, als nur um Elisabeths Beerdigung. Seit Monaten konnte er sich zu keiner Veränderung durchringen. Immer wieder fand Katja für ihn interessante Jobangebote: Sicherheitsberater bei einer Bank oder in der Industrie, Führungskraft bei einem Wachdienst, Koordinator einer Werttransportfirma. Er las, was sie ihm gab, nic kte, schrieb halbherzige Bewerbungen. Es war nicht so, dass er un endlich an seinem Arbeitsplatz hing, aber er war gerne bei der Po lizei. Und es war auch nicht so, dass sie prinzipiell etwas dagegen einzuwenden hätte. Nur eben gegen die Dienststelle in Frankfurt. Und zwar ganz entschieden.
Adrian fasste ihre Hand und beugte sich über den Tisch zu ihr. »Du hast Recht, wie immer. Es tut mir leid, ich bin in der letzten Zeit nicht gerade ein perfekter Partner, was?« Er küsste ihre Stirn und bemühte sich, nicht schon wieder einen Fehler zu machen. »Du hast doch Fotos mitgebracht, von der Wohnung in Freising, zeigst du sie mir?«
»Du willst sie wirklich sehen?«
»Ja. Natürlich.«
»Wunderbar!« Sie stupste ihn mit dem Zeigefinger auf die Nase und strahlte. »Ich habe nicht nur Fotos, auch Pläne vom Grund riss. Einfach ideal geschnitten, hell, modern und absolute Toplage!«
All das, was seine Wohnung in Frankfurt nicht zu bieten hatte. Er war sich dessen wohl bewusst. Außerdem war München an sich weit attraktiver, und ihr Job dort deutlich besser bezahlt als seiner.
»Das ist ein absolutes Schnäppchen, ich kann uns tolle Konditionen aushandeln.« Mit der Serviette tupfte sie sich die Mundwinkel ab, ehe sie nach ihrer Umhängetasche langte. »Wir dürfen nur nicht zu lange zögern.«
* * *
Lászlós Handgelenk machte keine Schwierigkeiten mehr. Man erwartete einen Sieg von ihm. Der Strohmann sollte die ganzen tausend Euro, die László ihm gegeben hatte, auf einen einzigen Kampf setzen. Auf Lászlós eigenen Kampf. Auf seinen Gegner. Die Quoten standen gut. Was er machte, war mehr als verboten, und wenn man ihn dabei erwischte …
»Mach bloß keinen Scheiß«, hatte er dem Kerl eingeschärft, der nun seine Zukunft in Händen hielt. »Du weißt, was für mich auf dem Spiel steht!« Sein Leben. Nicht mehr und nicht weniger.
Durch das Fenster beobachtete László, wie er das Bündel aus einanderrollte und Schein um Schein auf den Tisch blätterte. László traute ihm nicht.
Sein Helfer packte den Typ hinter dem Tresen kurz am Arm. Der Dicke grunzte irgendwas, schüttelte die Hand ab und raffte das Geld zusammen. Er stopfte es in die Hemdtasche und wartete, bis er allein im Laden war.
László beobachtete den Strohmann, der nach links zur U-Bahn ging. Erst als der außer Sicht war, verschwand er selbst in entgegengesetzter Richtung.
Der Dicke griff zum Telefon.
* * *
Henry stieß von Zeit zu Zeit gelangweilt mit dem Fuß gegen den kleinen, plüschigen Stoffball, der an einer Schnur von der Decke baumelte. Mephisto jagte mit ungebrochener Begeisterung seit einer Viertelstunde hinter seinem Spielzeug her und versetzte ihm mit ausgefahrenen Krallen Pfotenhiebe. Sie versuchte, sich wieder auf ihr Buch zu konzentrieren, aber am Ende der Seite stellte sie fest, dass sie keine Ahnung hatte, worum es ging, und begann wieder von vorn. Nach dem dritten Anlauf gab sie auf.
Der Tag zog sich endlos hin. Niemand rief an. Niemand schrieb eine E-Mail. Sie hatte keine Lust, etwas Sinnvolles zu tun, und et was Unsinniges, das sie gereizt hätte, fiel ihr nicht ein.
Kurz vor Ladenschluss schleppte sie sich die Treppe
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