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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Musik konnte sie genauso gut dort anhören.

* * *
    Viktor Bertram war nervös, als er seinem Sohn gegenübersaß. Wieder in einer Kneipe, auf neutralem Boden, unweit des Doms. Zu ihm nach Hause hatte Adrian nicht kommen wollen. Eine ruppige Begrüßung, distanzierte Gesten und sein Gesichtsausdruck zeigten deutlich, dass Adrian eigentlich lieber gar nicht gekommen wäre. Unterdrückte Wut steckte in jedem der wenigen Worte, die er bisher gesprochen hatte.
    Nein, der Bursche war ganz gewiss nicht wie Elisabeth. Das brauchte er nicht mehr zu betonen. Niemals war Elisabeth Viktor gegenüber laut geworden. In der Öffentlichkeit starke Gefühle zu zeigen, hatte sie verabscheut. Und eigentlich auch sonst.
    Adrian Wolf war sein Kind, aber kein Kind mehr, sondern ein erwachsener Mann. Ein ganzes unbekanntes Leben lag zwischen ihnen. Verbunden und getrennt durch Elisabeth.
    »Ich war gerade so zwanzig, als wir einander begegnet sind. Sie war wunderschön, und ich habe mich sofort in sie verliebt.« Leise, aber zügig erzählte Viktor weiter, von einer Frau, die Adrian so nie gekannt hatte. Mit der Viktor hatte leben wollen. Die mit ihm tanzte und lachte und dennoch nie wirklich glücklich war.
    »Sie war fünfzehn Jahre älter, und es war mir egal. Aber sie wollte nicht mit mir gesehen werden. Ich dachte, dass sich das legen wird, und ließ nicht locker, erkämpfte mir ein Rendezvous nach dem anderen. Dann wurde sie schwanger.« Nur eine einzige Nacht voller Leichtigkeit, die sie sich gegönnt hatte – und ihm. »Als sie es bemerkte, war es zu spät, um noch etwas dagegen zu unternehmen. Und ich war froh darüber, so froh! Schwebte einen Augenblick im siebten Himmel. Die Frau, die ich liebte, erwartete mein Kind! Ich wollte zu ihr stehen und zu dir, heiraten. Aber sie wollte nicht.« Bedrückt senkte er die Stimme. »Den Makel meiner Jugend konnte ich nicht ausgleichen. Und ich war nur ein einfacher Polizist.«
    Adrians Kopf schnellte nach oben.
    »Polizist?«
    »Ja. Auf Streife in Bergen-Enkheim.« Viktor lachte leise, aber es war kein fröhliches Lachen. »Ich hätte alles getan, um sie zu halten, wollte einen Nebenjob annehmen, Kurse machen, meine Karriere unter Hochdruck vorantreiben. Doch das hat ihr nicht gereicht.« Viktor Bertram nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas. »Was weißt du über ihre Familie? Kennst du deine Verwandten?«
    »Nur dem Namen nach. Ich weiß, dass es ein paar gibt, mehr nicht. Gesehen habe ich bis heute keinen davon.«
    Viktor nickte, das hatte er nicht anders erwartet. »Das lag sicher nicht an ihnen. Versteh mich bitte nicht falsch – ich will nicht schlecht über Elisabeth reden. Es geht nicht darum, aufzurechnen oder Schuld zuzuweisen. Ich will nur, dass du verstehst, was damals passiert ist und warum. Rückblickend betrachtet war das aus ihrer Sicht alles durchaus logisch. Sie ist nach dem Krieg mit ihrer Mutter und zwei kleineren Geschwistern aus Ostpreußen gekom men und in Rüsselsheim gestrandet, in einer Arbeitersiedlung. Der Vater war im Krieg gefallen, und der ehemaligen Gutsbesitzersgattin blieb nichts anderes übrig, als eine Stelle in einem Friseursalon anzunehmen. Haare schneiden, blondieren, Dauerwellen eindrehen. Elisabeth war oft dort, bewunderte die Frauen, die sich diesen Luxus leisten konnten. Sie waren schön und makellos, wenn sie den Salon verließen. So hat Elisabeth gelernt, dass es zwei Sorten Menschen gibt: Die einen tragen Kostümchen und frisch gelegte Locken – die anderen müssen im Kittel Haare fegen. Sie nahm es ihrer Mutter übel, dass sie nun zu den Kittelträgern zählte und ihr Status plötzlich der von Bittstellern war. Geduldete, zugewiesene Untermieter. Als ihre Mutter wieder geheiratet hat, war das der letzte Schlag. Ein Opelaner, Fließbandarbeiter, der manifestierte Abstieg. Sie wollte da raus. Sobald sie volljährig war, ist sie weg, hat den Kontakt abgebrochen und als Sekretärin in Frankfurt gearbeitet. Und dort hat sie darauf gewartet, dass ein Prinz sie findet und alles wieder gut wird. Aber der hat sich Zeit gelassen. Dann bin ich in ihr Leben geplatzt und dann auch noch ein Kind. Die Chancen auf eine angemessene Stellung im Leben habe ich ihr damit gründlich vermasselt. Dafür hat sie mich gehasst und abserviert. Von einem Tag auf den anderen war alles aus.« Der Schmerz saß tief. Für einen Augenblick spiegelte sich die Kränkung in Viktors Zügen. Entschlossen schüttelte er die Niederlage ab.
    »Aus der Zeitung habe ich von

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