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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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er kurz die Augen und seufzte. »Aber das gehört nicht hierher. Ich langweile Sie und stehle Ihre Zeit.«
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    »Sie verstehen, warum ich hier bin?«
    »Natürlich. Das ist der traditionelle Weg, und manchmal sind Traditionen durchaus sinnvoll. Es braucht einen klaren Abschluss, um neu anzufangen. Man sagt zwar: Das Leben geht weiter. Und das tut es auch, aber eben nicht mehr so, wie es vorher war. Etwas ist anders, weil einer fehlt. Wenn Sie mit ihr allein sein wollen …«
    »Nein. Bleiben Sie. Bitte.« Viktor Bertrams Augen zeigten einen schelmischen Ausdruck, als er sie ansah. »Es ist schön, Sie hier zu haben. Denn Sie sprechen wenigstens mit mir!«
    Er deutete mit einem Kopfnicken auf Elisabeth. »Ich habe viele Jahre lang versucht, mit ihr zu reden. Jetzt muss sie mir immerhin zuhören. Aber was ich wollte, waren Antworten. Und die wird sie mir nicht mehr geben. Meinen Sie, ich kann sie von Adri an bekommen?«
    »Das müssen Sie ihn selbst fragen.«
    »Einen Fehlversuch hatte ich schon.« Viktor Bertram rieb sich das Kinn. »Wie gut kennen Sie meinen Sohn?«
    »Nicht so gut, wie ich es gerne hätte.« Henry lief rot an. »Nein! Also, was ich meine ist, dass …« Die Lachfalten um Viktor Bertrams Augen verdichteten sich, und sie zuckte die Schultern. »Ach, was soll der Quatsch – genau so meine ich es.«
    »Verstehe. Dann sind wir schon zwei. Wobei unsere Interessen vermutlich ein bisschen auseinandergehen.«
    Kurz wandte er sich Elisabeth zu, drückte ihr sachte einen Kuss auf die Stirn. »Auf Wiedersehen, meine Liebe«, flüsterte er und schaute dann wieder Henry an.
    »Haben Sie eine Idee, wie ich Adrian dazu kriege, dass er mit mir spricht?«
    »Das wird schwierig.« Sie rümpfte grübelnd die Nase.
    »Dachte ich mir schon. Wollen wir Elisabethchen wieder wegpacken?«
    Henry musste lachen. Der Mann gefiel ihr. Mit viel Gefühl und dennoch pragmatisch. Gemeinsam hoben sie den Deckel auf den Sarg.
    »Übrigens, Sie verstehen wirklich etwas von Ihrem Job. So entspannt und friedlich wie heute habe ich Elisabeth selten gesehen.«
    Henry spitzte die Lippen und hob den Zeigefinger. »Adrian hat fast das gleiche zu mir gesagt: Sie war nie friedlich und entspannt. Also zumindest diese Einschätzung haben Sie gemeinsam. Und noch ein Tipp, wenn Sie ihn sehen: Kein Mitleid, keine Sentimentalität, sonst rennt er wieder weg.«
    »Ich werde mir Mühe geben, Frau Körner!«
    »Henry.«
    »Ich hatte mal einen Wellensittich, der so hieß.«
    »Und?«
    »Ein ziemlich verrückter Vogel, würde ich sagen.«
    »Und ich?«
    »Sie habe ich doch gemeint!« Viktor Bertram klopfte ihr leicht auf die Schulter. »Sie sind eine ungewöhnliche Frau, Henry. Ich freue mich Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.«

* * *

    Gerade als Henry das Hoftor hinter sich geschlossen hatte, krachte Adrians Wagen ohne Rücksicht auf die Reifen über den Bordstein und kam direkt neben ihren Füßen zum Stehen.
    »Hast du ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt?« Er schlug die Autotür zu und baute sich vor ihr auf. »Wieso glaubt hier jeder, ich müsste mir irgendwas von der Seele reden?«
    Henry verschränkte die Arme vor der Brust und blickte fragend zu ihm hoch. »Hat dein Vater das gesagt?«
    »Also doch, du warst es!«
    »Gar nichts war ich. Reg dich ab. Er war heute hier, und wir haben uns sehr nett unterhalten. Was genau hat er zu dir gesagt?«
    »Irgendwas von reden. Keine Ahnung, ich habe nicht richtig zugehört!«
    »Wie Elisabeth, die hat ihm auch nicht zugehört«, entfuhr es Henry.
    »Wie war das?« Alle Farbe wich aus Adrians Gesicht.
    »Das hat er zu mir gesagt. Und eigentlich will er sonst nichts, nur, dass du ihn anhörst. Keiner zwingt dich, mit ihm zu reden.«
    Adrian schnappte nach Luft.
    »Was ist los?«
    »Wie Elisabeth, ja? Wie Elisabeth. Nein, ich bin nicht wie sie!« Wütend drehte er sich um, machte dann an der offenen Wagentür kehrt und zerrte eine Plastiktüte aus der Jackentasche.
    »Habe alles markiert, was du brauchst«, knurrte er und streckte ihr die Tüte entgegen, ohne sie anzusehen.
    Henry warf einen flüchtigen Blick auf die CDs. »Willst du mit reinkommen?« Sie deutete auf das Tor. »Dann können wir …«
    »Nein.« Mit ein paar schnellen Schritten umrundete er das Auto. »Nein, will ich nicht!«
    Sekunden später jaulte der Motor auf, und mit durchdrehenden Rädern raste Adrian davon.
    Henry schaute ihm überrascht nach, zuckte dann die Achseln und machte sich auf den Nachhauseweg. Die

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