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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Ladenpassage unterhalb des Hauptbahnhofs war leer, bis auf ihn und den Inhaber. Ein fetter Mann undefinierbaren Alters, der vollkommen harmlos aussah. Adrian schwankte zwischen dem Gefühl, sich lächerlich zu gebärden und dem, etwas Großes zu tun. Er deutete auf das Regal hinter dem Mann.
    »Ich hätte gerne eine Packung Pralinen – für meine Frau Marla.«
    Aus der Hosentasche zog er ein Bündel Geldscheine. Zwanziger. Langsam zählte er zehn davon ab und schob sie über den Tresen. Ohne Umschweife nahm der Mann das Geld entgegen und stopfte es in eine separate Schublade neben der Kasse. Adrian hielt die Luft an. Der Mann langte ins Regal und knallte die Pralinenschachtel vor ihm auf den Ladentisch.
    »Dreifuffzisch.«
    Adrian zahlte brav auch diesen Betrag. Nun beugte sich der Dicke über die Verkaufstheke und hielt einen Finger hoch.
    »Regel Nummer eins …«

* * *

    In den Spätnachrichten am Samstagabend war kein Wort über eine kopflose Wasserleiche gefallen, obwohl Henry ihren Anteil an dem Schauspiel rechtzeitig erledigt hatte. Weder die erste Ausgabe der Tagesschau, noch der regionale Radiosender erwähnten einen grausigen Fund am Sonntagmorgen. Seitdem trug Henry ihr schärfstes Küchenmesser bei sich.
    Loyalität, Frau Körner. Ich zweifle, hatte er gesagt, ich zweifle sehr, dass Sie mir die in ausreichendem Maß entgegenbringen. Sie wissen, was auf dem Spiel steht. Sie sollten meine Bedenken besser zerstreuen. Denn sollte ich den Verdacht haben, dass Sie diesem Polizisten etwas anderes als Fehlinformationen zukommen lassen, könnte sich das nachteilig auswirken – auf unseren lieben Jürgen, auf Wolf selbst – und auch auf Sie.
    Sie verriegelte die Tür, machte kein Licht, zog den Telefonstecker aus der Wand und schaltete das Handy aus. Nie wieder wollte sie Westermanns Anweisungen befolgen.

* * *

    Mit den neuen Informationen im Hinterkopf fuhr Adrian direkt ins Präsidium. Am Sonntag konnte er vollkommen ungestört am Computer in der Rechercheabteilung arbeiten. Kaum einer der Kollegen verirrte sich hierher.
    Das Gelände, auf dem sich am Abend die Freunde des blutigen Kampfsports treffen sollten, lag in einem Industriegebiet an der Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Hanau. Vielleicht konnte er etwas über den Eigentümer herausfinden, wenn er die genaue Adresse ermittelte. Eine der Regeln, die der Dicke heruntergebetet hatte, war das Verbot, etwas aufzuschreiben. Darum hatte er die Wegbeschreibung mehrfach wiederholt und Adrian hatte sie sich genau eingeprägt. Nun folgte er dem Plan aus seinem Gedächtnis mit dem Finger auf der Karte. Parallel dazu startete er den PC, um die Seite mit den Satellitenbildern zu öffnen. Keine ganz neuen Ansichten, aber immerhin etwas. Vielleicht fand sich so ein Hinweis auf die ansässigen Unternehmen.
    Während das System noch hochfuhr, füllte er die Kaffeemaschine mit Wasser und Pulver, und goss die Grünpflanze daneben auf der Fensterbank mit dem abgestandenen Kaffeerest vom Vortag. Nicht zum ersten Mal, ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebte. Er riss ein vertrocknetes Blatt ab und zerkrümelte es zwischen den Fingern.
    Henry hatte ihm den Knochen hingehalten, aber wie viel wusste sie über dessen Herkunft? Und wieso wollte sie dann plötzlich, dass er die Sache ruhen ließ?
    Ungeduldig fiel er wieder auf seinen Stuhl. Er konnte das denkbare Areal nur grob eingrenzen. Am Ende sei ein großer freier Platz zum Parken, hatte der Dicke im Kiosk erklärt, den könne er nicht verfehlen. Aber dieser Platz konnte in jedem beliebigen Hof sein. Die Strecke in seinem Kopf führte ihn zum Gelände einer ehemaligen Autowerkstatt. Direkt am Bahndamm, links und rechts nur Lagerhallen, keine Speditionen in der direkten Nachbarschaft, bei denen man mit nächtlichen Verladeaktivitäten rechnen musste. Nur eine Straße auf der Bahnseite, die nach wenigen Hundert Metern in einem Wendehammer endete. Sonst gab es da nicht viel zu entdecken. Leerstand seit drei Jahren, Insolvenzverfahren, Pleite. Seither nicht mehr genutzt, weil sich vermutlich niemand die Entsorgung der Altlasten aufhalsen wollte. Die Lager hallen kamen natürlich ebenso als Austragungsort in Frage. Möglicherweise gelangte man über den Parkplatz von hinten auf das betreffende Anwesen. Und irgendwo musste es einen Fluchtweg geben, den er bisher übersehen hatte. Adrian erweiterte den Radius und holte sich endlich eine Tasse Kaffee.
    Getränkegroßhandel, Import-Export, Vertriebsberatung, Gebäudereinigung,

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