Die Würde der Toten (German Edition)
Celebi schaute abermals weg. »Sehen Sie hin. Man hat ihn totgeschlagen. Wie kann das sein, bei einem gut trai nierten Kampfsportler? Hat er sich nicht genug gewehrt? Herr Celebi – können Sie mir das erklären?«
»Ich habe keine Ahnung, was passiert ist! Bei uns war das jedenfalls nicht. Auch wenn manche so tun, als ob wir hier brutale Kampfmaschinen züchten.«
Adrian stieß mit dem Fuß gegen einen Kopfschutz, der neben dem Ring lag. Dann hob er ihn auf und hängte ihn über den gepolsterten Pfosten. »Sie achten gut auf Ihre Kids. Besonders auf die Kickboxer, nicht wahr? Ich habe Ihre Statuten gelesen. Widerspricht dem, was in den Presseberichten nach der Night of Pain in Darmstadt gestanden hat. Alles ziemlich künstlich hochgekocht von den Politikern, würde ich sagen.«
Sein Verständnis erzielte die gewünschte Wirkung. Cem Celeb i nahm das Bild in die Hand, das Adrian ihm direkt vor die Nase hielt.
»Er war ein guter Muay-Thai-Kämpfer und ein netter Kerl. Ich dachte sogar daran, ihn auf einen Trainerlehrgang zu schicken. Die Unterlagen waren schon alle da. Er konnte gut mit den Jungs umgehen. Hat sich vor allem um die Halbstarken gekümmert. Aber dann hat er versucht, die Regeln zu umgehen. Hat ein paar von den Älteren angestiftet, Sicherheitsvorkehrungen wegzulassen, härter zu kämpfen, länger. Amateurkämpfe haben fünf, höchstens acht Runden, die immer nur zwei Minuten dauern. Ich habe ihn ein paar Mal abgemahnt und versucht, mit ihm zu reden, wollte wissen, was plötzlich los ist. Ich hatte den Eindruck, er steckt in Schwierigkeiten, aber er wollte nicht damit rausrücken. Dann habe ich ihn aus dem Studio ausgeschlossen. Ich musste. Dass er hier die Regeln außer Kraft setzt, konnte ich nicht zulassen. Schließlich habe ich die Verantwortung, vor allem für die jungen Sportler. Egal ob sie Boxen, Judo oder Muay Thai trainieren. Gerade beim Free Fight ist es erste Priorität, die Einhaltung der Regeln zu lehren. Achtung und Respekt vor dem Gegner, vor sich selbst, vor dem Leben. Wenn du das nicht kapierst, wirst du nie ein guter Kämpfer, weil du das Prinzip nicht verstanden hast. Es geht um Körperbeherrschung und um Körperkontrolle, und dazu brauchst du Selbstbeherrschung, vom Kopf her, verstehst du?«
Das Thema erregte Celebi sichtlich, er redete immer schneller, verfiel dabei ins vertrauliche Du. Adrian verstand sehr genau.
»Wenn einer einen Kampf ohne Regeln will – wo geht er dann hin?«
Cem Celebi schüttelte den Kopf. »Kein Studio, das ich kenne, macht so was mit. Und kein Kämpfer, der auch nur ein bisschen Grips hat, will das!«
Adrian schwieg einen Augenblick. »Ich dachte weniger an ein Studio«, sagte er dann leise und blätterte wieder durch die Bilder. »Vielleicht habe ich es falsch ausgedrückt. Wenn jemand einen Kampf ohne Regeln ansehen will …«
»Illegale Kämpfe?« Cem fuhr sich mit der flachen Hand durchs Gesicht. »Ist nicht mein Gebiet. Damit hatte ich nie zu tun.«
»Aber die gibt es. Und ich nehme an, es werden hohe Beträge gewettet.«
»Wie gesagt, Mann, dazu kann ich nichts sagen.«
»Und wer kann mir etwas sagen?«
Der Trainer leckte sich nervös über die Lippen und schaute Adrian nicht an. »Keine Ahnung, ehrlich!«
Für einen Moment blieb sein Blick im Hintergrund des Studios an zwei jungen Männern hängen.
Adrian drehte sich nach ihnen um. »Die beiden?«
»Das habe ich nicht gesagt!«
»Ich werde es herausfinden.« Adrian steckte die Bilder weg.
»Meine Jungs sind sauber!«
»Daran zweifle ich nicht. Etwas zu wissen, ist nicht unbedingt ein Verbrechen. Aber wenn es um Mord geht, sieht das etwas anders aus. Dann kann Schweigen sehr wohl eine Straftat sein.«
»Warten Sie, Herr Wolf.« Er hielt Adrian, der an ihm vorbeigehen wollte, am Arm fest. »Lassen Sie mich mit den Jungs reden. Ihnen werden sie garantiert nichts sagen. Sie halten die Ehre hoch. Und es ist gefährlich, als Verräter zu gelten.« Er stockte. »Sie wissen, was ich meine. Der soziale Druck ist enorm groß. Es reicht schon, wenn man sie mit einem Polizisten reden sieht, dass Gerüchte aufkommen. Gehen Sie zu Ihrem Wagen. Und nehmen Sie an der Theke ein Beitrittsformular und ein Infoblatt mit, so wahren wir den Schein.« Er reichte Adrian die Hand, sein Lächeln wirkte freundlich, aber angespannt. »Es wäre gut, wenn Sie sich an der Tür noch den Schuh binden würden und Ihnen dabei versehentlich Ihr Handy aus der Tasche rutschte. Das werde ich dann gleich nach draußen
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