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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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zurück in sein Büro und das Bild mit der Scheckübergabe noch mal ansehen.
    Im Sprint nahm er die Treppe. Ihm fehlte die Geduld, auf den Aufzug zu warten. Noch halb in der Jacke rief er die Internetseite auf, zerrte den zweiten Ärmel über die Schulter, ließ die Jacke zu Boden fallen. Auf seinem Bildschirm erschien ein strahlender Kolja Bilanow und neben diesem ein ebenso strahlender Alfred Westermann. Adrians Magen begann, nervös zu gurgeln. Das Gesicht kannte er nicht, aber der Anzug mit den Nadelstreifen und die glänzenden Lackschuhe kamen ihm verdammt bekannt vor. Na türlich waren das noch lange keine stichhaltigen Beweise, aber gute Gründe, in dieser Richtung weiterzusuchen. Pflegte Westermann ein sauberes Image, um womöglich gänzlich unsaubere Machenschaften zu verbergen? Dann gab es unter Umständen auch bei Bilanow noch mehr zu finden – und bei Cem Celebi. Er musste Viktor ab sofort aus der Sache raushalten und sich selbst darum kümmern. Es war nicht abzusehen, welche Folgen ein Ge spräch mit Magdolna Szebeny auslösen könnte, wenn Viktor Fragen über Lászlós Tod stellte.
    Und Westermann … Hektisch riss Adrian die obere Schreibtischschublade auf, durchsuchte sie, knallte sie zu, durchsuchte die nächste. Schließlich fand er die Unterlagen über Bilanow, die er für Henry zusammengestellt hatte. Er breitete das zerdrückte Papier vor sich aus und glättete die Falten mit dem Handballen. Das war es; hier war ihm der Name zum ersten Mal untergekommen! Westermann hatte sich um Kolja Bilanows Überführung gekümmert. Dieser Einsatz ging deutlich über eine flüchtige Bekanntschaft hinaus. Westermann war weder verwandt mit ihm, noch Mitglied der russisch-orthodoxen Gemeinde. Wieso also machte er das?
    Adrian hob die leere Kaffeetasse an die Lippen und schabte nachdenklich mit den Zähnen über den Rand. Ein Autohändler aus der Ukraine, ein deutscher Geschäftsmann mit tadellosem Ruf, ein türkischer Kampfsporttrainer, ein toter Ungar, dazu Dro gen und lebensgefährliche Sportwetten. Eine heiße Mischung.
    Den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, fischte Adrian das interne Nummernverzeichnis unter der Schreibtischunterlage heraus. Die Jungs vom Rauschgift hatten vielleicht was über einen der Männer; oder die von der Wirtschaftskriminalität.
    Seine Hand schwebte unentschlossen über dem Ziffernblock.
    Vor ihm lag ein Haufen Indizien. Obenauf der Name Westermann. Er musste unbedingt herausfinden, ob Westermann dafür gesorgt hatte, dass auch Szebeny auf Henrys Tisch gelandet war. An Zufälle glaubte er inzwischen nicht mehr. Westermann war der Schlüssel zu der ganzen Geschichte. Aber auch Henrys Name steckte weiter mittendrin. Wenn er jetzt wählte, gab es kein Zurück mehr. Dann würde tatsächlich eine offizielle Ermittlung aus der Sache.
    Das Freizeichen tutete auffordernd. Ganz langsam legte er den Hörer auf.

* * *

    Es gelang Henry, Jürgens Anwesenheit vor Eberhard Moosbacher geheim zu halten. Wie üblich war sie am Morgen zum Seniorchef ins Büro gegangen, um die anstehenden Arbeiten zu besprechen. Dabei bemühte sie sich, ihm nicht direkt in die Augen zu sehen, beugte sich tief über Papiere, pustete angestrengt in ihre Kaffeetasse und hüllte sich in Dampfwölkchen, die sie zur Not als Er klärung für ihre vor Nervosität gerötete Haut heranziehen konn te. Aber Eberhard Moosbacher achtete nicht weiter auf ihren Gemütszustand. Er war selbst nicht richtig bei der Sache. Übermüdet berichtete er vom anstrengenden Wochenende bei seiner Schwägerin. Der Aufenthalt im nasskalten Fulda und die lange Autofahrt waren Anneliese nicht gut bekommen. Jetzt lag sie mit einem heftigen Rheumaanfall im Bett.
    Henry nutzte die Gelegenheit, Eberhard Moosbacher umgehend zu ihr zurückzuschicken. Einen Tag schaffe sie die anfallende Arbeit ganz locker allein, versicherte sie ihm, und für Notfälle stehe ihr ja Sven Fiedler auf Abruf zur Verfügung. Er könne unbesorgt sein und sich in Ruhe um seine Frau kümmern. Dankbar verschwand er nach oben in die Wohnung, und Henry nahm ihm noch das Versprechen ab, dort zu bleiben.
    Leidlich beruhigt verschloss sie die Eingangstür. Wer heute kam, musste eben läuten. Dann hatte sie das Telefon auf ihren Appa rat umgestellt und Stellung im Versorgungsraum bezogen. Hier fühlte sie sich trotz allem, was hier geschehen war, noch am wohls ten.
    Nur Jürgen blieb ein Problem. Sie machte sich schreckliche Vorwürfe. Irgendetwas hatte Westermanns Zorn

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