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Die Würde der Toten (German Edition)

Die Würde der Toten (German Edition)

Titel: Die Würde der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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sich offenbar seitdem wieder gebessert«, mutmaßte Viktor, obwohl er wusste, dass es ganz bestimmt nicht Bilanow war, den er da hörte.
    »Das ist der neue Geschäftsführer, nicht Herr Bilanow, der ist …« Petra Jansen brach den Satz ab, als habe sie schon zu viel gesagt. Sie runzelte die Stirn, griff entschlossen zu einem Kugelschreiber und schien sich plötzlich wieder daran zu erinnern, dass es ihr Job war, dem Mann vor sich ein Auto zu verkaufen. »Was für einen Wagen suchen Sie eigentlich genau?«
    »Einen Trabbi«, antwortete Viktor mit Nachdruck und lächelte verzückt. »Den wollte ich schon immer haben.«
    Er war sicher, dass es hier keine weiteren bedeutsamen Infor mationen mehr zu holen gab, und er war ebenso sicher, dass garantiert kein Trabant auf dem Hof stand.

* * *

    Im Telefonbuch von Aschaffenburg fand Adrian nur einen einzigen Eintrag unter dem Namen Szebeny. Magdolna. Das musste Lászlós Mutter sein. Viktor bot ihm an, sofort zu ihr zu fahren. Er aber zögerte. Die Beerdigung war vermutlich noch nicht lange her, da brauchte es einen guten Grund, Fragen zu stellen. Merkwürdige Fragen, die man ohne offizielle Ermittlung nur schwer erklären konnte.
    Er benötigte Zeit zum Nachdenken. Szebeny und Bilanow hatten sich gestritten und im Zorn getrennt. Nun waren beide tot. Beide waren durch Henrys Hände gegangen auf ihrem letzten Weg. Und beide Male hatte sie seine Hilfe gesucht. Beiden Todes fällen haftete der Zweifel des Fremdverschuldens an. Warum also hatte sie ihn zurückgepfiffen, als er ermitteln wollte?
    Er weigerte sich zu glauben, dass Henry tiefer in die Sache ver strickt war. Sie hatte die Männer sicher nicht ermordet, sonst hätte sie versuchen müssen, die Spuren zu verwischen und alles zu vertuschen. Doch im Gegenteil – sie hatte ihn angerufen, um alles aufzuklären.
    Ihn, und nicht die zuständigen Kollegen.
    Vielleicht gab es tatsächlich keinen Zusammenhang und sie hatte nur einen Grund gesucht, ihn zu sehen? Der Gedanke war mindestens genauso absurd. Es musste eine andere Erklärung ge ben.
    Adrian warf seine Brille auf den Papierstapel vor sich und kne tete sein Gesicht. Doch die gesteigerte Durchblutung brachte keine neuen Erkenntnisse. Er brauchte Sauerstoff und Bewegung. Mit der rechten Hand bugsierte er die Brille zurück an ihren Platz, griff mit der linken nach seiner Jacke und rannte die Treppe hinunter, nach draußen in den quadratischen Innenhof neben der Kantine. Ein paar kümmerliche Pflanzen vermittelten einen vagen Eindruck von Natur, der sich aber gegen die hohen Mauern der angrenzenden Gebäude nicht durchsetzen konnte.
    Freigang wie im Knast, dachte er jedes Mal, wenn er allein hier herauskam, auf einer der Bänke Platz nahm und das Unkraut zwischen den Platten betrachtete. Mittags, wenn die Raucher das Terrain in Scharen bevölkerten, sah es hier ganz anders aus, dann wurde geredet und gelacht. Aber dann ging er nicht hinunter.
    Eisige Luft strömte schmerzhaft in seine Lungen. Der erste Nachtfrost konnte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Zum Hinsetzen war es jetzt zu ungemütlich, also drehte er mit schnellen Schritten ein paar Runden, um sich aufzuwärmen, und rieb die Hände gegeneinander.
    Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass Henry plötzlich mit dubiosen Leuten gemeinsame Sache machen sollte. Sie hing mit Leidenschaft an ihrer Arbeit, mit Liebe und Enthusiasmus. Geld stand für sie eindeutig nicht an erster Stelle. Ihre Wohnung sah nicht danach aus, als seien Statussymbole ihr wichtig. Sie besaß nicht mal ein Auto. Oder war es genau das, was sie zu ändern gedachte? Hatte sie, nach den ersten moralischen Bedenken, beschlossen, ihr Wissen anders zu nutzen, und ihn deshalb angelogen? Wenn sie glaubte, in diesem Milieu jemanden erpressen zu können, war sie entweder naiv oder verrückt, oder beides – und ganz sicher in Gefahr.
    Bei der vierten Runde gelang es Adrian, sich wieder auf die Fakten zu konzentrieren. Er steckte die kalten Hände in die Hosentaschen und legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel färbte sich in ein unwirkliches helles Grau, das sich langsam über ihn hinwegbewegte.
    Szebeny war bei einem illegalen Kampf zu Tode gekommen – dar an hegte Adrian keinen Zweifel mehr. Szebeny hatte für Bilanow gearbeitet und bei Cem trainiert. Bilanow und Cem hatten beide für ihr soziales Engagement Geld erhalten. Von diesem Unternehmensberater. Westermann. Den Namen hatte er vorher schon mal gehört. Aber in welchem Kontext? Er musste

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