Die Wundärztin
herauszuziehen!«
Noch bevor ihm die anderen beispringen konnten, begann Magdalena, unter seinen knappen Anweisungen den verwundeten Seume Stück für Stück aus den Trümmern zu bergen. Sie achtete nicht auf die bandagierte linke Hand. Die Aufregung schien den Schmerz auf wundersame Weise zu besiegen. Endlich hatten sie es geschafft. Seumes klobiger Leib lag so weit frei, dass vier starke Männer ihn an den Gliedmaßen fassen und vorsichtig herausheben konnten. Langsam trugen sie ihn zum Rand des Richtplatzes. Unter Raunen und Wispern wichen die Neugierigen zur Seite, machten dabei allerdings nur so viel Platz, wie die Retter zum Durchgehen benötigten. Magdalena und Meister Johann hingegen mussten sich ihren Weg unter Einsatz der Ellbogen und unter lautem Fluchen und Drohen frei schieben.
»Bringt ihn in sein Zelt, dort haben wir mehr Ruhe. Ich hole meine Instrumente. Magdalena, du kommst mit und hilfst mir, die Salben und Pflaster zusammenzustellen. Uns bleibt nicht viel Zeit, ihn ins Leben zurückzuholen.«
21
Meister Johann wartete gar nicht erst ihre Antwort ab, sondern lief bereits vor, quer durch das Lager, zum Wagen am westlichen Rand. Sie schürzte ihren Rock und hastete ihm hinterher. Der Weg ans entgegengesetzte Ende des Lagers schien ihr auf einmal erstaunlich kurz. Schon sah sie, wie der Feldscher in den Planwagen kletterte. Abermals beschleunigte sie ihren Schritt, stolperte fast über einen Strick, riss an einer Hecke das Leinen um ihre linke Hand auf. Verflixt! Es brannte höllisch. Rasch prüfte sie, ob ein Dorn in der Haut stecken geblieben war, doch die Handfläche war nur angeritzt. Sie wischte die Hand am Rock ab, zu mehr fehlte ihr die Zeit. Das letzte Stück zum Wagen rannte sie.
»Endlich!« Meister Johann schenkte ihr ein knappes Nicken und sprudelte gleich los: »Branntwein wird drüben bei Seume genug sein. Alles andere müssen wir mitbringen. Einige Salben haben wir von letzter Nacht schon drüben. Brauchbares Leinen aber ist dort zu wenig. Denk daran, genug einzupacken, Seumes Leib ist kräftig. Verflucht, das frisst uns die letzten Vorräte auf! Und das, wo uns eine Schlacht bevorsteht.«
Hastig begann er, Tiegel und Töpfe auf dem schmalen Bord an der Seitenwand durchzusehen. Über das in der nächtlichen Eile des Aufbruchs verursachte Durcheinander verlor er nur ein verächtliches Schnauben.
»Als die Steckenknechte Eric fortgeschleift haben, blieb mir nicht viel Zeit«, versuchte sie rasch, den Zustand der halboffenen Kisten und durchwühlten Taschen zu erklären. Kaum wagte sie, ihn anzusehen. Die penible Ordnung in seinen Arzneien und Kräutern war ihm heilig. Doch Meister Johann schien gar nicht richtig zuzuhören.
»Wo mag Rupprecht wohl stecken? Langsam mache ich mir ernsthaft Sorgen.« Kurz hielt er im Verschrauben eines Glases mit Mennige inne und griff nach ihrer rechten Hand. Sein Gesicht war weniger gerötet, auch die Adern an den Schläfen waren wieder abgeschwollen. Trotzdem wirkte er noch sehr mitgenommen, in seiner Stimme schwang Furcht mit. Schon wollte sie sich seinem Griff entziehen, da verstärkte er den Druck der Finger um ihr Handgelenk. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. Was sollte sie ihm nur antworten? Dass sie fürchtete, Rupprecht habe sie am Ende alle verraten? Sie biss sich auf die Lippen. Der eisige Blutgeschmack tat gut.
»Verzeih, Magdalena. Woher sollst du mehr wissen als ich?« Endlich gab er sie wieder frei. »Die Knechte haben dich und Eric mitten in der Nacht geholt. Da war Rupprecht wohl gerade bei einem Patienten, und du konntest ihm nicht einmal Nachricht geben. Das scheußliche Unwetter hat so manchen verzweifelt nach Hilfe rufen lassen, weil ihm ein Stock auf den Kopf gefallen ist oder das Herz vor Schreck ausgesetzt hat. Einem soll es beim Anblick des Blitzes gar braun aus der Hose gelaufen sein, einem anderen haben die Knie geschlottert, dass sein Nachbar dachte, die Schweden kommen!« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu. »Der arme Rupprecht hat all die Visiten allein übernehmen müssen, während wir beide drüben gemütlich im Offizierslager gesessen sind. Der wird sich freuen, wenn er uns nachher wieder nicht hier vorfindet.«
Er kicherte in sich hinein. Magdalena wurde noch unruhiger. Was sollte sie davon nun wieder halten? Stand der Meister kurz davor, wahnsinnig zu werden? Nein, sagte sie sich. Offenbar wollte er mit der Version verdrängen, dass Rupprecht sie alle hintergangen haben konnte. Derweil sie weiter darüber
Weitere Kostenlose Bücher