Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
lächelnder Ed, Mimi Sutton in ihrem repräsentativen Büro, Brents breites Grinsen, der Zusammenstoß mit Nate Amie und Mums Anruf wegen James. Und dann plötzlich fühlte ich den Herzschlag eines Mannes, spürte seine warmen Arme um mich, seinen Atem in meinem Haar. Es war wunderbar. Ich fühlte mich so … sicher . Sicher und geborgen. Ich hob meinen Kopf von seiner Brust und wollte ihm in die Augen schauen – und erkannte ihn. Im Nu war das Gefühl der Geborgenheit verschwunden und entsetzlichem Unbehagen gewichen. Und schon tauchte ein neues Bild aus den Tiefen meines Bewusstseins auf: Ich stand in einem Garten und sah mich einer Gruppe vertrauter Gesichter gegenüber. Lächelnd schauten sie mich an. Ich hörte mich reden – mit tränenerstickter Stimme, von Gefühlen überwältigt. »Es tut mir leid … es tut mir so furchtbar leid …«
Ich schreckte aus meinem Traum auf. Durch das Schlafzimmerfenster fiel fahles Mondlicht herein. Mein Atem ging schwer, mein Gesicht war nass von Tränen und Schweiß, kerzengerade saß ich im Bett und schaute mich fassungslos um, rang um Beherrschung. Ich tastete nach der Nachttischlampe und knipste sie an. Mein Zimmer lag in warmes goldenes Licht getaucht: der alte Stuhl vom Flohmarkt, den ich weiß lasiert hatte, meine bunte Patchworkdecke, die gemalte Ansicht von Bridgnorth, die Mum bei ihrem letzten Besuch mitgebracht hatte, die dunkle Holzkommode, die Celia mir zum Einzug spendiert hatte – alles wohltuend vertraut und Trost für meine brennenden Augen. Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn und versuchte tief durchzuatmen. Langsam beruhigte sich mein laut pochendes Herz. Aber das Unbehagen blieb.
»Reiß dich zusammen, Mädchen«, tadelte ich mich. »Es war nur ein Traum – es ist nicht real.«
Jetzt nicht mehr , sagte meine innere Stimme. Aber es war mal sehr real.
5
»Rosie, nein! Du musst das machen!« Ed stellte seinen Kaffeebecher mit Nachdruck auf dem Ladentisch ab. »Bessere Publicity können wir uns doch gar nicht wünschen. Sämtliche Leser der New York Times – überleg dir nur mal, wie viele neue Kunden wir auf diesem Wege gewinnen könnten!«
So gut beziehungsweise schlecht lief es also bislang mit meinem tollen, todsicheren Plan, Celias »West Siders«-Kolumne zu entkommen … Als Ed heute etwas früher als sonst zur Arbeit gekommen war, hatte ich geglaubt, den perfekten Augenblick erwischt zu haben. Marnie würde erst in einer Stunde eintrudeln, und ich hatte gehofft, Ed bis dahin schon auf meiner Seite zu haben und weitere Diskussionen vermeiden zu können. Ganz einfach eigentlich – sollte man zumindest meinen. Wie immer hatte ich uns erst mal einen Kaffee gemacht und dann ganz beiläufig erzählt, was Celia vorhatte und was ich davon hielt – nämlich nichts. Mit Einwänden hatte ich gerechnet, war aber davon ausgegangen, Ed letztlich von meiner Sicht der Dinge überzeugen zu können.
Was mir bislang nicht gelungen war. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Und heute Morgen, noch immer ganz aufgewühlt von dem Traum der letzten Nacht, setzte mir das
richtig zu. Ich holte tief Luft und machte mich auf eine längere Auseinandersetzung gefasst.
»Ich wüsste nicht, warum auch nur irgendwer etwas über mich erfahren sollte. Über Kowalski’s – meinetwegen. Aber nicht über mich . Wer will so etwas lesen? Das ist doch … langweilig.«
»Was?« Ed schaute mich so entgeistert an, als hätte ich ihm gerade erzählt, dass sich die Freiheitsstatue über Nacht schweinchenrosa verfärbt hätte. »Wie kommst du denn darauf, Rosie?«
Ich rang nach Worten. »Weil … weil … ich einfach glaube, dass es andere, interessantere Menschen gibt, Leute, die es eher verdient haben, dass …«
Ed schüttelte den Kopf. »Was soll das denn heißen – es eher verdient haben?« Er musterte mich aufmerksam. »Wovor hast du eigentlich Angst?«
Wütend stemmte ich die Hände in die Hüften. »Vor gar nichts. Ich will nur nicht …«
Ed unterbrach mich erneut und klang nun auf geradezu beängstigende Weise wie meine Mutter. »Rosie, du hast aus diesem Laden einen vollen Erfolg gemacht. Mit Mimi Suttons Winterball hast du uns außerdem unseren bislang größten Auftrag an Land gezogen. Komm mir jetzt nicht wieder mit deinem ›Mehr Großaufträge kann Kowalski’s nicht verkraften‹. Marnie und ich haben dir schon mal gesagt, dass wir uns das durchaus zutrauen. Und nur weil wir mal ein paar größere Aufträge annehmen, geben wir ja nicht gleich alles
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