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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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leicht erwärmen und es ebenfalls in einen Tonkrug füllen. «Der Kleine muss zur Ruhe kommen», murmelte sie. «Baldrian wird ihm helfen, in der Nacht gut zu schlafen.»
    Dann stellte Priska noch einen Sud aus Weidenrinden her, den die Nachbarin gegen ihre Kopfschmerzen brauchte. Adam hatte ihr erklärt und gezeigt, wie man das machte. Sie nahm eine winzige Menge frischer Weidenrinde, zerschnitt diese mit einem Messer in kleine Stückchen, gab einen Becher kochendes Wasser darüber und ließ den Sud eine halbe Stunde ziehen. Zum Schluss bereitete sie einen Badezusatz für die Kranken zu, die von der Lustseuche befallen waren. Große, schmerzhafte Geschwüre bedeckten ihre Haut, und Priska und Adam hofften, ihnen mit einem Haferstrohbad ein wenig Linderung zu verschaffen. Priska gab eine Hand voll des Haferstrohs in einen Kessel, der bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt war und ließ diesen eine Viertelstunde lang sieden. Dann seihte sie die Flüssigkeit ab.
    Inzwischen waren die drei Stunden vergangen. Priska brachte das Laboratorium in Ordnung, kontrollierte noch einmal, ob alle Kannen, Dosen, Krüge und Töpfe gut verschlossen waren, dann eilte sie zurück in die Küche.
    «Ein fettes Tier habt Ihr da gebracht», berichtete die Magd und deutete auf eine Schüssel, in der das abgeschöpfte Fett des toten Hundes war.
    Priska nickte, hob die Schüssel hoch und roch daran. Ein süßlicher Geruch stieg ihr in die Nase. Am liebsten hätte sie sich geschüttelt, doch sie wusste, dass das Hundeschmalz helfen würde.
    «Brate Zwiebeln an und ein wenig Rauchfleisch. Gib die Bröckchen in das Hundeschmalz und fülle alles in eine Tonschüssel. In einer Stunde werde ich die Arznei ins Badehaus bringen.»
     
    Die Kirchenglocken riefen gerade zur Vesper, als sich Priska mit dem Hundeschmalz zum Badehaus begab. Vor wenigen Jahren noch war die Badestube in der Katharinenstraße gut besucht gewesen. Jeder Leipziger suchte sie mindestens einmal in der Woche auf. Dort wurde geschwitzt, gebadet, gegessen, getrunken, gelacht und geliebt.
    Für Männer und Frauen gab es verschiedene Abteilungen. Sie saßen in großen Holzzubern, ein Brett mit Speisen und Getränken quer darüber, und besprachen die neuesten Ereignisse der Stadt. Der Barbier schnitt Haare und Bärte, die Bademägde eilten hin und her und waren den Männern auch in anderen Belangen zu Diensten. Doch dann kam die Franzosenkrankheit in die Stadt, und bald wusste jeder, dass die Seuche in den Badehäusern weitergegeben wurde. Nun badeten die meisten Leute zu Hause, und die Reichen hatten sich eigene Badestuben eingerichtet.
    Auch heute war es fast leer im Badehaus. Friedel, die Bademagd, saß auf einem Schemel, hatte die Hände im Schoß gefaltet und sah auf, als Priska hereinkam.
    «Habt Ihr die Arznei für meinen Jungen?», fragte sie und sah Priska mit ängstlichen Augen an.
    «He da, Dirne, bring mir einen Krug Bier», tönte einSchrei durch den Raum. Friedel deutete auf einen Vorhang, hinter dem ein Mann in einem Badezuber lag. «Ich muss zu ihm», sagte sie. «Bitte wartet einen Augenblick.»
    Priska nickte und sah sich derweil in der Frauenabteilung um. Die hölzernen Zuber waren leer, die Seifenflocken beinahe eingetrocknet. Stapel von Leinentüchern lagen auf einem Wandbord, Ruten, mit denen die Bademägde die Gäste sanft peitschten, standen krumm in einer Ecke. Ganz hinten aber befand sich ein Wäschekorb, aus dem es leise greinte. Priska trat hinzu. Der kleine Junge der Bademagd lag darinnen. Blass war sein Gesicht, blutleer seine Lippen. Die beinahe durchsichtigen Lider zuckten, als ein Hustenanfall ihn im Schlaf quälte. Priska legte ihm eine Hand auf die Stirn und schrak zurück. Der Junge war kochend heiß.
    Unbemerkt war die Bademagd zurückgekommen, kniete neben dem Wäschekorb, strich ihrem Kind zart über die Wangen.
    «Er schläft den ganzen Tag», sagte sie.
    «Er hat hohes Fieber», stellte Priska fest, «und er ist sehr schwach. Die feuchte Umgebung ist Gift für ihn.»
    «Wo soll ich denn hin mit dem Kind?», jammerte die Magd. «Er ist noch zu klein, um allein zu bleiben. Und ich muss arbeiten, muss für Brot sorgen.»
    Priska nickte. «Ich weiß. Aber wenn Ihr ihn weiter hier lasst, so wird er sterben. Am besten wäre er bei einer Amme auf dem Land aufgehoben.»
    Die Magd begann zu weinen. «Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich weiß nicht, wohin mit dem Kind. Ich habe doch kein Geld für eine Amme.»
    Priska strich ihr tröstend über den

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