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Die Wunderheilerin

Die Wunderheilerin

Titel: Die Wunderheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Gesicht war ernst, verzweifelt beinahe, hilflos auf jeden Fall. Er hob die Hand, um Priska zu streicheln, dann ließ er sie sinken, als wisse er nicht, ob er noch das Recht dazu habe.
    Sie begriff, dass er sie nicht belog.
    «Wenn es ist, wie du sagst, dann stimmt die Welt nicht», sagte sie leise. «Dann lügen die Priester von der Kanzel, dann lügt auch Johann von Schleußig, wenn er und die anderen vom eigenen Platz erzählen, den man sich suchen kann.»
    Sie wurde ein wenig blass, ihre Augen dunkel und groß. «Wenn es ist, wie du sagst, Adam. Wenn du nicht der Herr deines Willens und deiner Wünsche bist, dann muss es ein Dämon sein. Anders kann ich mir die Welt nicht mehr erklären. Dann ist es so, dann gibt es Dämonen, dann gibt es den Teufel, und wir können nichts tun als beten.»
    Adam schwieg. Dann nickte er. «Vielleicht hast du Recht mit dem, was du sagst. Aber wo steht geschrieben, dass nur der frei von Dämonen ist, der Herr über seinen Willen und über seine Wünsche ist? Und wenn es die Dämonen sind,die Wunsch und Willen lähmen, wie kann dann der Mensch dafür bestraft werden?»
    Priska stand auf. Die Müdigkeit war so heftig über sie hereingebrochen, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte. Alles in ihr war leer und dunkel und schwer. Heute, das wusste sie, hatte sie den letzten Funken Hoffnung verloren. Nein, sie glaubte nicht mehr daran, Adam zum Begehren bringen zu können. Sie musste sich damit abfinden, eine Frau mit trockenem Schoß zu sein und zu bleiben.
    Sie hob die Hand, legte sie auf Adams Schulter. «Es ist spät», sagte sie. «Wir werden heute Abend keine Antworten finden. Nicht heute, vielleicht nicht einmal in unserem Leben. Lass uns schlafen gehen.»
    Er griff nach ihrer Hand, stand auf dabei. Dann legte er den Arm um ihre Schulter und presste sie an sich. Er vergrub das Gesicht in ihren Haaren und seufzte. Umschlungen verließen sie das Wohnzimmer. Vor der Tür von Priskas Kammer blieb Adam stehen. «Ich würde heute gern bei dir schlafen, würde gern in deinen Armen liegen.»
    Sie sah ihn lange an. Dann erwiderte sie leise: «Du verlangst zu viel von mir, Adam. Dich zu begehren, aber wie eine Schwester in deinem Arm zu liegen, nein, Adam, das kann ich nicht, das will ich nicht.»
    Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ Adam allein zurück.

Vierzehntes Kapitel
    Am nächsten Morgen kam die Betreiberin des Hurenhauses gleich nach Öffnung der Stadttore in die Klostergasse.
    «Ihr müsst helfen, Doktorsfrau. Eine von uns hat es erwischt. Ein Freier, keiner von hier, hat sich an einer so vergangen, dass sie vor Schmerzen schreit.»
    «Sollte da nicht lieber der Doktor selbst kommen?», fragte Priska.
    Die Frau schüttelte den Kopf. «Nach Euch hat sie gerufen. Ihr sollt kommen.»
    Priska nickte. Es war nicht das erste Mal, dass die Frauen nach ihr und nicht nach Adam riefen, wenn es ein Problem gab. «Sagt mir, welche Wunden sie hat.»
    Die Hurenmutter breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf. «Schmerzen hat sie im Unterleib. Ihr Schoß, sagt sie, sei ganz wund gescheuert.»
    Priska nickte. Sie nahm einen Tiegel mit Salbe, ein Säckchen mit Kräutern und folgte der Frau. Unterwegs betete sie im Stillen: Lieber Gott, lass es nicht Margarete sein, die da leidet. Bitte, lieber Gott.
    Sie hätte die Hurenmutter fragen können, doch sie wollte noch ein wenig länger glauben können, dass mit ihrer Schwester alles in Ordnung sei.
    Und dann war sie es doch. Priska betrat die kleine Kammer,sah ihre Schwester zusammengekrümmt auf der Bettstatt liegen, ein Leinentuch in den Armen.
    Sie machte der Hurenmutter ein Zeichen, dass sie mit Margarete gern allein bleiben möchte. Dann setzte sie sich auf den Bettrand.
    «Was ist geschehen?», fragte sie leise.
    Das Mädchen schluchzte auf, klammerte sich an das Leinentuch und vergrub das Gesicht in einem Kissen.
    «Willst du es mir nicht erzählen?»
    Priska legte eine Hand auf Margaretes Schulter, strich langsam über ihren Arm, dann über den Rücken. Langsam beruhigte sich das Mädchen.
    Sie wandte sich um, das Tuch noch immer fest umklammernd, und sah Priska an. «Ich bin keine gute Hure», sagte sie leise. «Ich mache meine Arbeit schlecht. Die Freier sind selten zufrieden mit mir.»
    «Was meinst du damit? Was werfen die Freier dir vor?»
    Das Mädchen drückte das Tuch fester, dann flüsterte sie: «Sie tun mir immer weh. Wenige genießen das. Die meisten wollen, dass auch ich Lust empfinde. Aber das kann ich

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