Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)
Kleiderschrank, suchte sich angemessen bunte Klamotten aus, nahm, nach einem Blick aus dem Fenster, das Fahrrad und machte sich auf den Weg zum Buchladen. Immerhin hatte sie Mica versprochen, um acht Uhr dort zu sein.
Mit dem Rad zu fahren war ein wenig wie Fliegen, nur besser, denn Faye mochte keine Flugzeuge. Die Luft war ungewohnt kühl. Normalerweise war sie nicht so früh unterwegs, und sie musste den Kragen der Jacke hochschlagen, weil sie sonst fror. Brooklyn Heights wurde, im Gegensatz zu ihr, nur langsam wach, was vielleicht daran lag, dass Brooklyn Heights niemanden wie Alex Hobdon kannte. Trotz der Kälte lächelte Faye auf dem Rad, und als sie das Real Books erreichte, waren ihre Wangen gerötet.
»Du siehst rosig aus«, bemerkte Mica Sagong, der schon mit seiner Yogamatte unter dem Arm auf sie wartete.
»Namaste«, entgegnete Faye. »Ich fühle mich auch so.«
Mica starrte sie an, und Faye fragte sich, was er jetzt wohl dachte. »Ich bin in drei Stunden wieder da«, sagte er. »Dann übernehme ich.«
»Ist gut.«
Er nickte ihr zu, grinste sparsam und machte sich auf, seine Yogaklasse zu beglücken.
Faye ging in den Laden und ließ den Tag langsam beginnen. Sie goss sich einen Tee auf und setzte sich hinter die Kasse; aber nicht, bevor sie nicht den Laptop aus dem Kabuff geholt hatte, denn man konnte ja nie wissen. Dann las sie die aktuelle Ausgabe der New York Times , die Mica unter der Kasse hatte liegen lassen. Die üblichen Themen: Dow Jones, Wahlkampf, Krisen. Warum bringen sie nie etwas Positives?, fragte sich Faye. Sie durchstöberte den Unterhaltungsteil; dann betrat der erste Kunde den Laden, ein Student, der nach On the Road von Kerouac fragte. Später folgten ein Mädchen, das sich The Cides House Rules anschaute, sich dann aber doch für The Blindfold von Siri Hustvedt entschied; ein Hipster, der Oscar Wilde suchte, und ein Polizist, der »etwas von Elmore Leonard« verschenken wollte. Der Vormittag verging, Mica rief an und teilte ihr mit, dass er sich verspätete – es gab noch Dinge zu regeln, die mit den Kursen in den nächsten Wochen zu tun hatten. Faye verkaufte insgesamt vier Bücher, einen Stadtplan von Queens und eine Formelsammlung für Ingenieure. Sie saß hinter der Kasse und wartete darauf, dass etwas passierte.
Zwischendurch beobachtete sie den Laptop. Gegen Mittag erhielt sie die erste Nachricht von Alex.
Alex Hobdon
Das Lakeside Center befindet sich direkt am See. Sie sagen hier Küste , nicht Ufer , und tatsächlich sieht der See wie ein richtiges Meer aus. Die Wellen sind wild. Selbst der Wind scheint nach Salzwasser zu riechen. Ich muss an ein Lied denken, das ich vor einiger Zeit gehört habe: »When the Sailor met Sunny«. Komisch, dass einem hier alles ein wenig vertraut vorkommt. Ich sitze auf einer Parkbank und trinke Kaffee aus einem Pappbecher. Das Lakeside Center ist riesig; an einer Seite fällt ein künstlicher Wasserfall mit einem tosenden Rauschen drei Stockwerke in die Tiefe. An jeder Ecke hängen Plakate zur Wahl. Hey, das ist ein Thema für ein andermal. Bist du politisch engagiert? Ich bin es nicht, nicht wirklich, meine ich, wenngleich ich mich nach Veränderungen sehne. Aber das tun viele, nicht wahr? Es ist ziemlich kalt auf der Parkbank, trotz Sonnenschein. Dicke Wolken stehen am Horizont. Ich denke, dass es noch ungemütlich werden wird.
Die GraphiCon ist auf der zweiten Etage. Es geht los. Wünsch mir Glück.
Holly_Go!
Alles Glück der Welt. Und Sonne. Und Musik. Musik ist wichtig. Viel, viel Musik!
PS: Bin im Buchladen, ein Kunde betritt den Laden, bis später …
Der Kunde war einer jener Kunden, die alles anfassten, aber nichts kauften. Faye beobachtete ihn und dachte dabei daran, wie sie geglaubt hatte, Alex am Vortag gesehen zu haben. Sie hatte es Alex gegenüber nicht einmal erwähnt. Vermutlich hatte Dana Carter wie meistens ohnehin recht, und sie hatte das alles ihrer überdrehten Fantasie zuzuschreiben. Vielleicht fehlte ihr aber auch einfach nur der Mut, ihn zur Rede zu stellen und damit etwas an der Situation, in der sie sich beide gerade befanden, zu verändern.
Gegen Mittag kam dann – endlich! – Mica Sagong und löste sie ab.
»Geh essen«, sagte er ihr, »du siehst so dünn aus.«
Faye musste ihn nicht erst fragen, um zu sehen, dass nicht viele Yogaschüler gekommen waren. »Mach ich«, erwiderte sie nur und war draußen, bevor Mica ihr etwas antworten konnte.
Sie ging, wie schon zwei Tage zuvor, ins D-Diner, dem
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