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Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition)

Titel: Die wundersame Geschichte der Faye Archer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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rief er ihr zu.
    Eine ganze Stunde nach der Geschichte von der Katze und der Ratte und eine halbe Stunde nach Beendigung des heutigen Karma-Yoga machte der Laden zu.
    »Wenn wir ein Ziel erreichen wollen«, gab Mica ihr noch einen Ratschlag, bevor sie ging, »dann werden wir es auch erreichen. Den Weg dorthin kennen wir allerdings nicht.«
    Faye faltete die Hände und verneigte sich vor ihm. »Danke, Meister«, sagte sie.
    Mica wusste, dass sie das ernst meinte. Er winkte ihr zu, eine Geste wirklich ungewöhnlicher Ausgelassenheit für ihn.
    Sie schnappte sich ihr Fahrrad und schob es nach draußen, versuchte erfolglos, Dana zu erreichen, fuhr mit dem Rad durch die Straßen, ohne Ziel und ohne Gefühl für die Zeit.
    Der Herbst war nett zu ihr und all den Menschen in Brooklyn; es war nicht so kalt wie am Vortag, die Blätter fielen und wehten über die Straße. Faye pfiff die Melodie, die ihr gerade in den Sinn kam, und wünschte sich Alex Hobdon herbei. Sie fuhr zu Lassen & Hennings, das sozusagen um die Ecke lag, hielt dort an, kettete das Rad an ein Treppengeländer, schlenderte durch die große Bäckerei und sah sich genüsslich die Auslagen an. Sie liebte es, am Abend hierherzukommen, sich eine kleine Leckerei nach Hause mitzunehmen. Das Brot und die Bagels waren einfach nur hinreißend, die Farbenvielfalt des Zuckergusses der Knüller. Sie kaufte, was ihr am verlockendsten schien, ging nach draußen, entriegelte das Schloss des Fahrrads und schob es dann ein Stück weit die Straße hinunter, einfach so, weil sie Lust dazu hatte. Sie dachte an Chicago und die Sache mit der Katze und der Ratte und überlegte sich die Worte, die sie Alex gleich schreiben würde, sobald sie daheim wäre.
    Da, ohne Vorwarnung, sah sie ihn.
    Es war ein Schock. Genau so musste sich ein Stromschlag anfühlen, einer von der tödlichen Sorte. Sie blieb wie angewurzelt stehen, und es kam ihr so vor, als würde sie sich nie wieder von der Stelle bewegen können. Auch konnte sie nichts sagen, nein, nicht einmal denken konnte sie.
    Es gibt Momente, die sind so unwirklich, dass man sie einfach nicht begreifen kann, nicht mit dem Verstand, sehr wohl aber mit dem Herzen. Man befindet sich plötzlich mittendrin in diesen Momenten. Sie umgeben einen wie alte Zuckerwatte, klebrig und fies. Und obwohl man diese Augenblicke schon erlebt hat, fühlt man sich wie ein Fremder, aus der Bahn des eigenen Lebens geworfen.
    Genau das war es, was Faye fühlte.
    Sie starrte wie benommen zur anderen Straßenseite, wo der junge Mann stand und zurückstarrte, spürte einen gewaltigen Kloß im Hals, schnappte nach Luft, keuchte, erstickte fast an dem, was sie da sah. »Alex«, flüsterte sie und war sich nicht einmal sicher, ob sie seinen Namen ausgesprochen hatte.
    Sie musste sich täuschen. Eine Frau, die sie nie zuvor gesehen hatte, hatte sich bei Alex eingehakt.
    Faye hielt sich am Lenker fest. Wie war das möglich? Vor nicht einmal zwei Stunden hatte er ihr noch diese Mail geschickt. Aus Chicago. Alex Hobdon konnte nicht hier in Brooklyn sein! Nein, das war einfach völlig unmöglich. Es konnte nicht Alex sein, der drüben auf der anderen Straßenseite mit einer anderen Frau am Arm die Abendluft genoss. Nie und nimmer. Denn wenn er es gewesen wäre, dann hätte das sie, Faye Archer, zu einer Schiffbrüchigen gemacht.
    Andererseits konnte sie an seinem Blick sehen, dass er sie erkannte. Ja, er wusste, wer sie war. Und trotzdem war da etwas in seinem Blick, was nicht passte.
    Faye überlegte, was das sein könnte, und dann dachte sie: Er sieht nicht ertappt aus.
    Die Tatsache, dass er in weiblicher Begleitung war, hätte ihm doch ein schlechtes Gewissen machen müssen, ganz zu schweigen davon, dass er behauptet hatte, in Chicago zu sein, was er nun offensichtlich nicht war.
    »Alex?« Sie wusste, dass sie zu leise gesprochen hatte. Sie war ihm so nah wie niemals zuvor. Er hatte braune Augen. Sie ertrank bereits darin, bevor ihr bewusst wurde, dass es passierte. Er trug Jeans, eine abgewetzte Lederjacke, einen Dreitagebart, einen bunten Schal. Sein Haar war völlig verwuschelt. Er sah aus wie ein Künstler, nicht wie der Banker, nach dem er auf dem Motorroller in seinem Anzug noch ausgesehen hatte.
    Faye spürte, wie ihr die Knie zitterten.
    Die Frau an seiner Seite war hübsch. Faye hasste es, wenn sie sich so etwas eingestehen musste, aber sie war viel hübscher, als Faye es jemals in ihrem Leben gewesen war. Die Frau sah sportlich aus, hatte kurzes,

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