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Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tullio Avoledo
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die Bilder und Dekorationen der Decke, die einem dunklen, vergoldeten Himmel gleichen.
    Ich atme tief durch.
    Schmerz sticht in meiner Lunge.
    Mein Körper ist schwach und müde. Ich versuche aufzustehen, ich stemme mich mit den Armen hoch, und schließlich gelingt es mir, mich in eine sitzende Position zu bringen und sogar auf die Beine zu kommen.
    Schwindel erfasst mich.
    Wohin sind alle verschwunden?
    Verwundert sehe ich mich um. Vom Fest am vergangenen Abend sind nicht die geringsten Spuren zurückgeblieben. Man könnte meinen, es hätte überhaupt nicht stattgefunden. Als wäre alles nur ein Traum gewesen. Wo sind die hell leuchtenden Lüster, wo die langen Tische mit den köstlichen Speisen?
    Ich drehe mich langsam um die eigene Achse, ziehe dabei die Füße durch den Staub.
    Der Staub. Er bedeckt den Boden, überall. Nur dort nicht, wo ich ihn bewegt habe. Ich sehe die Spuren meiner Schritte, und es sind nicht die Schritte eines Tanzenden, sondern die eines erschöpften Mannes, der sich vom Eingang in die Mitte des Saals geschleppt hat und dort zu Boden gesunken ist.
    Meine Schritte.
    Nur meine.
    Der große Raum liegt im Halbdunkel. Das einzige Licht kommt durch die Tür.
    Das gewaltige Bild an der Rückwand ist kaum zu sehen: ein Durcheinander aus vagen Umrissen. Ich nähere mich und ziehe den rechten Fuß nach. Die Hose mit dem Tarnmuster ist in Höhe des Knies aufgerissen und voller dunkler Flecken, die vermutlich von meinem Blut stammen.
    Ich hebe die Hand zur Wange und fühle Bartstoppeln. Die Fingerspitzen finden Schorf, kleine Pusteln und Blutkrusten.
    Ich hätte mich gern im Spiegel gesehen, aber Spiegel scheinen aus dieser Stadt verbannt zu sein.
    Meine Schritte bringen mich noch immer dem großen Bild näher.
    Habe ich alles geträumt? Den Tanz, die Musik, den Patriarchen?
    Alessia.
    Aber wenn das stimmt … Seit wann träume ich? Vielleicht schon seit dem Moment, als mich Alessia aus der Zelle in der absurden Kathedrale auf Rädern befreit hat. Besser gesagt: Seit dem Moment, als ich befreit zu werden glaubte …
    Nur noch wenige Meter trennen mich von dem Gemälde, als ich feststelle, dass es intakt ist. Das heißt, so intakt ein Bild sein kann, das über viele Jahre hinweg Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt war. Aber niemand hat den dargestellten Personen die Gesichter oder Augen weggeschnitten.
    Schmerz und Müdigkeit füllen mich, wie kaltes Wasser eine Vase.
    Eine Vase voller Risse.
    Ich brauche keinen Spiegel mehr, um zu begreifen, dass ich sterbe.
    Ich bin die große Treppe hinuntergegangen, die zum Innenhof des Gebäudes führt.
    Scala dei Giganti, steht auf einem gelben Schild mit rostigen Rändern. Treppe der Riesen.
    Der Innenhof des Palazzos ist ein Trümmerfeld aus halb verrostetem Stacheldraht und halb umgestürzten Barrieren aus Sandsäcken.
    Hier und dort liegen Knochen, weißer als der Schnee.
    Am vergangenen Abend hatte ich den Eindruck, dass es in der Stadt keinen Schnee gibt, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Es war nur ein Traum, eine Illusion. Der Neuschnee reicht mir bis zu den Knien, und darunter befindet sich eine Schicht aus Eis, die mindestens einen Meter dick sein muss.
    Auch die Kleidung, die ich getragen habe, die ich getragen zu haben glaubte …
    Meine Hände streichen über den rauen Stoff meines Tarnanzugs.
    Ich schüttele den Kopf.
    Mir ist kalt.
    Ich hebe einen Umhang aus Wachstuch auf und streife ihn mir über.
    Kurz darauf finde ich auch eine Atemmaske.
    Als ich sie aufsetzen will, rieselt Staub daraus, dunkel wie geronnenes Blut.
    Angeekelt verziehe ich das Gesicht, lasse die Maske fallen und gehe durch den Flur, der nach draußen führt.
    Der Morgenhimmel besteht aus dunklen Wolken voller Schnee. Auf dem Uhrenturm steht kein Scheinwerfer, der sein Licht zum Firmament schickt, und die beiden Statuen auf den Säulen am Ende des Platzes sind beschaffen wie immer: ein geflügelter Löwe auf der einen und der heilige Georg mit dem Drachen auf der anderen. Ich betrachte sie eine Zeit lang und frage mich, was meine Sinne so nachhaltig getäuscht hat.
    Der Platz erscheint mir wie ein mit Unrat übersäter Strand. Vielleicht haben sich hier Menschen versammelt, die nicht wussten, wohin sie sonst gehen sollten. Vielleicht haben sie gehofft, hier Hilfe zu finden.
    Oder sie sind hierhergekommen, um zu sterben.
    Der hohe Schnee hält ihre Überreste barmherzigerweise verborgen. Doch es gibt Hinweise auf traurige, tragische Geschichten: hier ein halb aus dem kalten

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