Die Wurzeln des Himmels: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
wären, hätten wir sie rationieren können.«
Ich sehe sie ungläubig an.
Sie zuckt mit den Schultern. »Ich bin eine Frau der Wissenschaft, Pater. Ich glaube, dass wir nach dem Tod Fleisch sind, mehr nicht. Es würde mich nicht stören, wenn jemand meinen Körper äße, um zu überleben.«
»Wir sind unterschiedlicher Meinung, so viel steht fest. Und das bedauere ich keineswegs.«
»Oh, natürlich. Ihr Priester seid unser Gewissen, die Hüter unserer moralischen und geistlichen Integrität! Aber sagen Sie mir eins, Pater: Wo war Ihr Gott, als die Bomben auf meine Stadt fielen und meine Familie in Asche verwandelten? Wo war er, als ich mich durch die dunklen, kalten Straßen schleppte und allein von verdorbenen Lebensmittelresten ernährte? Wo war er, als ich in die Gewalt von sieben Männern geriet, die mich tagelang vergewaltigten und mit dem Hinweis verspotteten, dadurch werde das Fleisch zarter. Als Durand ihr Lager betrat und sie nacheinander ansah, ganz ruhig und entspannt, obwohl sie bis an die Zähne bewaffnet waren und er mit leeren Händen dastand, als er mich ansah und lächelte, mir zuzwinkerte und sich plötzlich schnell wie der Blitz bewegte …«
Adèle wendet sich abrupt von mir ab.
Metall knallt auf Metall.
Eine weitere Tür schließt sich und trennt uns von dem Entsetzen. Und doch bleibt ein Teil des Grauens bei uns, jener Teil, den Adèle in ihrem Herzen trägt und den sie nun über mich ausschüttet.
Während sie die Ereignisse beschreibt, glaube ich die Szene direkt vor mir zu sehen.
Durand betritt das Lager der sitzenden Männer. Es sind sechs. Der siebte hat Wache gehalten und stellt kein Problem mehr dar; es gibt ihn nicht mehr. Jetzt sind es sechs. Nur sechs, sagt Adèle, lacht ungläubig und erinnert sich.
Durand dreht sich halb um die eigene Achse und wirbelt mit dem Stiefel glühende Asche vom Lagerfeuer auf – sie trifft die beiden Männer auf der linken Seite. Einer von ihnen lässt sein Messer fallen, ein geradezu riesiges Bowie-Messer, und das ist sein letzter Fehler. Durand ergreift das Messer und wirft es nach einem der Männer auf der rechten Seite – der Bursche ist aufgesprungen und versucht gerade, die Pistole aus dem Halfter zu ziehen. Das Messer bohrt sich ihm in den Hals, und er sinkt zu Boden. Es ist wie ein Traum, sagt sich Adèle. Alles scheint in Zeitlupe zu geschehen, wie in einem Film. Der Fremde, der gelächelt und ihr zugezwinkert hat, nimmt glühende Asche in die von einem Handschuh geschützte Hand und wirft sie dem Anführer der Gruppe in die Augen. Schreiend geht der Mann zu Boden, und im gleichen Moment lässt sich Durand fallen, entgeht so der für seinen Kopf bestimmten Kugel. Er findet eine Pistole und hat in seiner verlangsamten Zeit Gelegenheit, eine Grimasse zu schneiden, als er den schlechten Zustand der Waffe sieht. Sie muss genügen. Er hebt die Pistole und drückt ab. Der erste Schuss zertrümmert den Unterkiefer des Mannes, der auf ihn geschossen hat, und der zweite zerfetzt ihm das Herz. Dann steckt er dem Anführer den Pistolenlauf in den Mund und drückt erneut ab.
Noch drei Schüsse, denkt Adèle und wagt zu hoffen.
Sie sind gar nicht nötig. Einen weiteren Mann erledigt Durand mit einer Kugel in den Kopf, die anderen beiden werfen ihre Waffen weg und sinken auf die Knie.
Er ist ein attraktiver Mann, ihr Retter, denkt Adèle, noch immer konfus vom Schrecken und der Gewalt der letzten Tage. Ein attraktiver, freundlicher Mann, sagt sie sich und behandelt seine Kopfverletzung – die Kugel hat ihn gestreift. Er hat sogar einen gut gefüllten Erste-Hilfe-Kasten, was an ein Wunder grenzt. Zuerst hat er sich um sie gekümmert, die zerkratzten Brüste desinfiziert und Schambein und Gesäß gereinigt; ganz vorsichtig ist er mit ihr umgegangen, wie eine Mutter mit ihrem Kind.
Bevor er sich seinerseits behandeln lässt, deutet er auf die gefesselten Männer. Es schneit, und der Schnee hat bereits eine weiße Decke auf ihnen gebildet.
»Willst du das übernehmen?«, fragt er.
Sie schüttelt den Kopf.
Hauptmann Durand hatte gleich gedacht, dass unter all dem Schmutz eine hübsche junge Frau steckte, und was er fand, bestätigte seine Vermutungen.
»Na schön, dann kümmere ich mich darum«, sagt er ruhig. Die beiden Gefangenen versuchen wegzukriechen, als sie ahnen, was Durand vorhat. Aber sie können nicht fliehen. Der jüngere von ihnen heult, als ihm der Hauptmann mit dem Bowie-Messer erst den Penis abschneidet und dann die Kehle
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