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Die Yoga-Kriegerin

Die Yoga-Kriegerin

Titel: Die Yoga-Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana T. Forrest
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war, angeschlossen an Monitore, mit allen möglichen Infusions schläuchen an seinen Armen. Das Gesicht und die Arme waren vi­ olett von den Hautschädigungen. Er wirkte sehr zerbrechlich und ausg emergelt, allein und sehr, sehr krank. Ein Blick genügte und mir war klar, dass ich nicht in der Lage war, Bills Gesundheitszustand zu verbessern. Was konnte ich also für ihn tun? Ich spürte, wie Kali mich in Richtung einer anderen, ebenso wichtigen Rolle einer Heilerin stieß: eine Wahrheitssprecherin zu sein. Ich zog also den Stuhl an Bills Bett heran und fädelte meine Hand zwischen die Infusionsschläuche hindurch, damit ich seine Hand greifen konnte. »Wie geht es dir dabei, zu wissen, dass du bald sterben wirst?«, fragte ich ihn.
    Bill brach in Tränen der Erleichterung aus. »Niemand hat mir die Wahrheit gesagt. Ständig sagt mir jeder, dass es mir bald besser ge­hen würde.«
    »Nun ja, für mich siehst du so aus, als würdest du sterben. Wie geht es dir damit?« Es war, als ob ein Damm gebrochen wäre. Bill ließ all seinen Albträumen über das Sterben freien Lauf. Er unter brach seine Geschichte mehrmals und hustete mich an, und ich spürte, wie mein Gesicht von einem Sprühnebel aus Blut und Schleim bedeckt wurde. Es fühlte sich wie der Kuss des Todes an – das war noch, bevor man wirklich wusste, was Aids war und wie es übertragen wurde. Genau in diesem Moment musste ich der Angst vor meinem eigenen Tod ins Gesicht blicken; ich war überzeugt, dass ich mich just in dem Augenblick mit dieser tödlichen, unheilbaren, grässlichen Krankheit infiziert hatte. Es machte uns noch vertrauter miteinander. Bill und ich sprachen Wahrheit und blickten gemeinsam auf unseren Tod. Ich sagte mir, wenn ich auf diese Weise enden würde, dann konnte ich zumindest noch etwas Sinnvolles mit meiner Zeit tun. Ich wischte einfach das Blut und die Spucke weg und arbeitete weiterhin mit Bill, so gut ich konnte.
    Bei meinen nächsten Besuchen half ich ihm, Telefonate zu tätigen, sodass er unbeschwerten Herzens sterben konnte. Kali half mir, Bills Spirit zu heilen. Ich half ihm zu enträtseln, was seine schrecklichen Träume für ihn bedeuteten. In einem Traum war Bill auf einem Fluss in einem Boot, das ohne seine Kontrolle die Strömungen hinunterjagte. Ich sprach mit ihm über den Fluss Styx, über die Mythologie, dem eigenen Tod mit Mut und Integrität zu begegnen. Er verstand nun, dass er träumte, was seine Seele ihn zu tun bat, um sich auf seinen Tod vorzubereiten, und so wurden seine Träume eine Quelle der Orientierung, nicht der Angst. In seinem letzten Traum blickte er nach vorne aus dem Boot, geradeaus und ganz mit sich im Reinen. Unsere letzten gemeinsamen Stunden waren heilig, authentisch. Bill war vollkommen präsent, selbst als seine Seele seinen Körper ver ließ.
    Bill zu helfen war wirklich ein wichtiger Wendepunkt für mich. Als die krankhaften Veränderungen in sein Gehirn wanderten und er starb, fühlte es sich zunächst wie ein entsetzlicher Verlust an – er war sehr jung, und obwohl ich hart daran gearbeitet hatte, dass er in Integrität sterben konnte, wollte ein Teil von mir einfach nichts anderes, als dass er lebte. Ich hatte entgegen aller Vernunft nie die Hoffnung verloren, dass meine Heilarbeit das zustande bringen würde. Also überkam mich zunächst das Gefühl, versagt zu haben. Mein Herz und meine Seele waren deshalb so voller Schmerz, weil er etwas so Kostbares für mich war. Aber dann erkannte ich, dass ich eine zu vorgefasste Meinung hatte: Obwohl ich Bill geholfen hatte, seinen eigenen Tod bereitwillig anzunehmen, war ich immer noch dem Glauben verhaftet, dass ich ihm hätte helfen sollen, zu leben. Weil ich um so jemand Lieben trauerte, gelang es mir nicht, den groß­ artigen Dienst zu erkennen und zu schätzen, den ich ihm erwiesen hatte. Bill und ich hatten einander reich beschenkt.
    BEAUTY-REPORT
    Ich begann, mit meinen anderen Sterbepatienten wie mit Bill zu arbeiten. Ich gab meine vorgefasste Meinung auf, dass ich da wäre, um sie zu retten, und fragte sie: »Worüber machst du dir genau jetzt die meisten Gedanken? Was kann ich tun, dass du dieses Tor mit größtmöglicher Integrität durchschreitest? Wie kann ich dir helfen, stolz auf deinen Tod zu sein?« Vielleicht brauchten sie Hilfe, um einen bestimmten Anruf zu tätigen, sodass sie sich ein allerletztes Mal von einer Person verabschieden konnten, die sie liebten, oder um mit je mandem Frieden zu schließen, den sie gehasst

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