Die Zaehmung
zusammenflickt. Dann bringst du mir die Männer her, die heute nacht Wache standen.«
»Ja, Bruder«, sagte Severn und legte Rogan kurz die Hand auf die Schulter.
Für Rogan wog sie so schwer wie die Verantwortung, die er für seine Brüder und Männer hatte.
»Er hat es getan«, sagte Severn stolz zu Iolanthe. »Ich wußte, daß er da sein würde, wenn wir ihn brauchten. Du hättest ihn gestern morgen hören sollen. ‘Ich habe dich deines Geldes wegen geheiratet, nicht deiner Ratschläge oder deiner Schönheit wegen’. Genau das hat er zu ihr gesagt. Nun wird sie wohl aufhören, sich in die Angelegenheiten der Peregrines einzumischen.«
Io blickte ihn über ihren Strickrahmen hinweg an. Sie wußte schon alles, was gestern vorgefallen war. »Wo hat dein weiser Bruder denn heute nacht geschlafen?«
»Das weiß ich nicht.« Severn zögerte. »Wahrscheinlich bei seinen Männern. Er hätte ihre Schlafzimmertür einrennen sollen. Dieser Frau muß eine Lektion erteilt werden.«
Io sah, wie Severn sich heftig kratzte. Es war so angenehm gewesen — eine Weile lang —, als er sauber gewesen war. »Du hast also die Burg schon fast wieder in den Zustand versetzt, in dem sie sich früher befand. Dein Bruder schläft bei seinen Männern, und ich kann mir vorstellen, daß er auch so unglücklich ist wie früher. Ich vermute, er lächelt jetzt nicht mehr, oder doch?«
Severn stand auf und ging ans Fenster. Zared hatte zu ihm gesagt, daß er auf Liana eifersüchtig wäre, und etwas in ihm fragte sich, ob da nicht etwas Wahres daran sei. Gestern hatte er, Severn, gesiegt. Er hatte Rogan dazu gezwungen, öffentlich seine Frau zu verleugnen, so daß sie sich von ihm zurückziehen mußte. Und was hatte er damit gewonnen? Die letzten vierundzwanzig Stunden waren die Hölle gewesen.
Ihm war bisher nie so recht bewußt geworden, wie sehr Rogan sich verändert hatte, seit er mit dieser Frau verheiratet war.
Der alte Rogan war mit aller Macht zurückgekommen. Auf dem Übungsfeld war er ein unerbittlicher Exerziermeister. Er hatte einem Ritter, der nicht schnell genug war, den Arm gebrochen. Er hatte einem anderen mit dem Schwert die Wange aufgeschlitzt. Und als Severn protestierte, hatte Rogan ihm einen Schlag versetzt, der ihn zu Boden schickte.
Severn drehte sich wieder zu Io um. »Rogan ist so zornig, wie er das schon immer war.«
Iolanthe konnte seine Gedanken lesen. Es steckte nicht eine Spur von Arglist in ihm, und das war einer der Gründe, warum sie ihn liebte. Aber er hatte mit den meisten Männern gemeinsam, daß er keine Veränderungen mochte. Er hatte seine älteren Brüder geliebt und verehrt und hatte sie nacheinander ins Gras beißen sehen, bis nur noch Rogan übrig war. Und nun hatte er Angst, auch ihn zu verlieren.
»Was gedenkst du nun zu tun, um die beiden wieder zusammenzubringen?« fragte Io, während sie mit einem Goldfaden den Untergrund für das Stickmuster herstellte.
»Zusammenbringen?« meinte Severn betroffen. »Damit Rogan wieder den ganzen Nachmittag im Söller vertrödelt? Die Disziplin zum Teufel geht? Die Howards uns im Schlaf überraschen und töten? Rogan wird . . .«
». . . dich mit Exerzierübungen umbringen, wenn du deine Einmischung in seine Ehe nicht wieder gutmachst.«
Severn öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, schloß ihn dann aber wieder und setzte sich in seinen Sessel.
»Nun ja — sie ist gar nicht so übel«, sagte er nach einer Weile. »Und vielleicht muß in dieser Burg schon mal wieder saubergemacht werden.« Er blickte zu Io hin. »Schön
— gründlich gereinigt werden —; aber deswegen muß sie ihn doch nicht . . .« Er hielt inne, wußte nicht, wie er es anders ausdrücken sollte: »Sie muß ihn doch nicht so vollkommen für sich in Beschlag nehmen.«
»Sie liebt ihn«, antwortete Io. »Das ist für eine Frau, der so etwas zustößt, eine fatale Sache.« Sie blickte Severn liebevoll an, der das aber gar nicht bemerkte. Iolanthe bewunderte dieses blasse, kleine Ding, diese Liana, weil sie etwas fertiggebracht hatte, was Io nicht gelingen wollte.
»Schicke Liana eine Einladung zum Abendessen. Tu so, als käme sie von Rogan. Und dann schickst du Rogan eine Einladung von Liana.«
Severn kratzte sich heftig an der Schulter. »Glaubst du, sie wird meine Kleider wieder waschen lassen?«
»Wenn du ihr Rogan zurückgibst, wird sie das bestimmt tun.«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte Severn leise. »Wenn Rogan noch schlimmer wütet, werde ich deinen
Weitere Kostenlose Bücher