Die Zaehmung
Gefahr gebracht — mich, Zared, dich selbst. Du setzt das bißchen, was wir noch haben, ihretwegen aufs Spiel. Ist es dir gleichgültig, daß wir heute nacht vier von unseren Rittern verloren haben und ein weiteres Dutzend Männer verwundet wurde, weil du dich betrunken hast? Und warum? Wegen eines Streites mit dieser Frau! Du hast schon mal wegen einer Frau zwei von unseren Brüdern in den Tod gejagt. Müssen auch noch alle übrigen Peregrines sterben, ehe zu zufrieden bist?«
In diesem Moment eilte Liana mit langen flatternden, blonden Haaren die Außentreppe in den Hof herunter. Ihre Robe öffnete sich vorn und entblößte lange schlanke Beine. Sie warf sich an Rogans Brust und schlang ihm die Arme um den Hals. »Du lebst«, weinte sie, und ihre Tränen benetzten seine Schultern. »Ich hatte schreckliche Angst um dich.«
Einen Moment lang vergaß Rogan die blutbesudelten Ritter ringsum und seinen finster dreinschauenden Bruder neben sich und drückte ihren zitternden Leib an seinen Körper. Er konnte seinem Glück danken, daß sie noch hier war und nicht in der Gewalt der Howards. Er strich ihr über die Haare und suchte sie zu beruhigen. »Mir ist nichts geschehen«, flüsterte er.
Er sah hoch und blickte in das Gesicht einer seiner Ritter, der schon seinem Vater gedient hatte — ein Mann, der Rowland in die Schlacht gefolgt war —, und las zornige Verachtung in dessen Augen. Verachtung für einen Peregrine, der mit zwei toten Männern zu Füßen im ersten Licht der Dämmerung dastand und einer Frau schöntat.
In dem wochenlangen Streit mit Severn hatten sich seine Männer immer hinter ihn gestellt, wie Rogan sehr wohl wußte, weil er so hart mit ihnen trainiert hatte wie eh und je. Und sie waren ja auch nicht dabeigewesen, wenn Rogan abends bei seiner Frau im Söller saß und ihren Damen zuhörte, die zur Laute sangen. Und daß Rogan seiner Frau erlaubte, ihm bei dem Entwurf von Kriegsmaschinen zu helfen, hatten sie ebenfalls nicht miterlebt.
Doch als Rogan jetzt in die Augen seiner Ritter blickte, merkte er, daß ihre Loyalität in diesem Moment bedenklich ins Wanken kam. Wie konnten sie auch einem Mann folgen, der wegen eines Streits mit seiner Frau zu betrunken war, um die Signale eines Angriffs zu hören? Wie konnte er noch Macht über sie haben? In dem Dorfstück hatten die Bauern ihn als »gezähmt« dargestellt, — als einen Mann, dem seine Frau ein Halsband umgelegt hatte und den sie an der Leine wegführte. Damals war ihm diese Szene so absurd erschienen, daß es nicht lohnte, einen Gedanken daran zu verschwenden; aber nun sah er mehr als ein Körnchen Wahrheit darin.
Er mußte seine Autorität über die Männer zurückgewinnen, oder er würde für immer ihren Respekt verlieren.
Er löste abrupt ihre Arme von seinem Hals und schob sie von sich. »Geh zurück ins Haus, Weib, wo du hingehörst.«
Liana ahnte wohl etwas von Rogans Verlegenheit. Sie drückte ihre Schultern gerade. »Ich werde helfen. Wie viele Verwundete gibt es hier?« Sie drehte sich dem Mann zu, der Rogan mit so verächtlichem Zorn betrachtet hatte. »Bringt diese Männer in die Küche. Dort ist es wärmer. Und holt mir . . .«
Rogan mußte sie zum Schweigen bringen. »Gehorche meinem Befehl!« brüllte er.
»Aber es gibt doch Verwundete hier!«
Seine Männer, die verwundeten wie die unversehrten, beobachteten Rogan gespannt. Es war jetzt oder nie, erkannte Rogan.
»Ich habe dich deines Geldes wegen geheiratet«, sagte er gelassen und so laut, daß ihn alle seine Männer hören konnten, »nicht deiner Ratschläge oder deiner Schönheit wegen.«
Liana hatte ein Gefühl, als hätte sie einen Tritt in den Bauch bekommen. Sie wollte ihm eine Antwort geben; aber der Hals war ihr plötzlich zugeschnürt, so daß sie keinen Ton herausbringen konnte. Sie vermochte das schadenfrohe Grinsen der Männer förmlich zu spüren. Hier war eine Frau, die man in ihre Schranken gewiesen hatte. Langsam drehte sie sich um und ging in die Burg zurück.
Einen Moment lang wäre Rogan ihr fast nachgelaufen; aber er tat es nicht. »Hebe die Männer dort auf«, sagte er zu Severn. Er würde das heute abend wieder gutmachen bei ihr. Vielleicht mit einem Geschenk. Ihr hatte diese kleine Puppe vom Jahrmarkt so gut gefallen. Vielleicht sollte er . . .
»Und wohin soll ich sie bringen?« fragte Severn.
Rogan sah wieder den alten Respekt in den Augen seines Bruders. »In die Große Halle«, antwortete Rogan. »Und besorge einen Bader, der sie wieder
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