Die Zaehmung
wenn sie auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit ihrem Vater besaß, war sie nichts anderes als ein feiges kleines Ding.
Kapitel vier
»Nein, nein, nein, Mylady, gute Ehefrauen kreischen niemals. Gute Ehefrauen gehorchen ihren Ehemännern«, sagte Joice. Sie war müde und mit ihrem Latein am Ende. Lady Liana hatte sie gebeten, ihr Unterricht zu geben, wie man sich als gute Ehefrau zu verhalten habe; doch Lady Liana war zu lange in leitender Stellung gewesen, und es war fast unmöglich, ihr verständlich zu machen, wie eine Ehefrau sich betragen sollte.
»Selbst wenn er ein Narr ist?« fragte Liana.
»Besonders dann, wenn er ein Narr ist«, erwiderte Joice. »Männer glauben gern, daß sie alles wissen und immer recht haben. Sie wünschen sich von ihren Frauen absolute Loyalität. Gleichgültig, wie falsch das Urteil Eures Ehemannes sein mag — er erwartet von Euch, daß Ihr immer zu ihm haltet.«
Liana hörte ihr aufmerksam zu. Das war es nicht, was ihre Mutter unter einer Ehe verstanden hatte, und Helen war auch anderer Auffassung als Joice. Doch man konnte sie auch beide nicht als heißgeliebte Ehefrauen bezeichnen, dachte sie, eine Grimasse schneidend. In den letzten vier Wochen war sie zu der Erkenntnis gekommen, daß sie eine ganz andere Ehe zu führen wünschte als jene, die sie selbst als Zeugin miterlebt hatte. Sie wollte nicht den Rest ihres Lebens mit Haßgefühlen verbringen. Ihre Mutter hatte die Tatsache, daß sie ihren Ehemann verachtete, offenbar nicht sehr belastet. Das gleiche galt für Helen; doch sie, Liana, wollte ihr Leben anders einrichten. Sie hatte einmal eine Liebesverbindung bei einem Ehepaar erlebt, das noch nach vielen Ehejahren lange Blicke miteinander tauschte und stundenlang zusammensaß und miteinander plauschte. Das war die Ehe, die Liana haben wollte.
»Und er schätzt Gehorsam höher ein als Ehrlichkeit?« fragte Liana. »Wenn er sich irrt, soll ich es ihm nicht sagen?«
»Aber das dürft Ihr auf keinen Fall tun! Männern gefällt es zu glauben, daß ihre Frauen sie für beinahe so unfehlbar halten wie den Herrgott. Versorgt ihm das Haus, gebärt ihm Söhne, und wenn er Euch um Eure Meinung fragt, sagt zu ihm, daß er in solchen Dingen ja viel besser Bescheid wisse als Ihr, da Ihr doch nur eine Frau seid.«
»Nur eine . . .« sagte Liana in dem Versuch, zu begreifen. Der einzige Mann, den sie bisher wirklich gekannt hatte, war ihr Vater, und sie mochte gar nicht daran denken, was aus den Ländereien der Nevilles geworden wäre, wenn ihre Mutter sich geweigert hätte, diese zu verwalten. »Aber mein Vater . . .«
»Euer Vater ist mit den meisten Männern nicht zu vergleichen«, erwiderte Joice so taktvoll wie möglich. Sie war über alle Maßen verwundert gewesen, als Liana sie bat, ihre Beraterin in Sachen Männer zu werden; aber sie dachte, es wäre auch höchste Zeit dafür. Sie sollte lieber den wahren Charakter von Männern erfahren, ehe sie sich an so jemanden wie die Peregrines band. »Lord Rogan wird Euch nicht solche Freiheiten gestatten, wie das Euer Vater tut.«
»Nein, ich schätze, das wird er nicht«, sagte Liana leise. »Er hat gesagt, daß er kein böses Weib heiraten würde.«
»Kein Mann möchte ein böses Weib haben. Er will eine Frau, die ihn preist, für seine Bequemlichkeit sorgt und willig ist im Bett.«
Liana dachte, daß sie zwei von diesen Forderungen leicht erfüllen könne. »Ich bin mir nicht sicher, ob Lord Rogan die Bequemlichkeit schätzt. Seine Kleider sind schmutzig, und ich glaube, daß er sich nicht oft badet.«
»Ah, das ist eine Sache, wo eine Frau Macht ausüben kann. Alle Männer lieben die Bequemlichkeit. Sie mögen ein bestimmtes Gericht besonders gern, haben ihr Lieblingsgetränk, und ob Euer Lord Rogan es weiß oder nicht
— er schätzt einen ordentlichen, ruhigen Haushalt. Seine Frau soll die Streitigkeiten unter den Dienstboten schlichten und dafür sorgen, daß sein Tisch immer mit köstlichen Speisen versorgt wird. Ihr könnt ja seine kratzenden, schmutzigen Kleider gegen weiche, neue austauschen. Das sind die Wege zum Herzen eines Mannes.«
»Und wenn seine Ländereien genauso verwahrlost sind wie seine Kleider, werde ich . . .«
»Dann ist das seine Angelegenheit und nicht die seiner Frau«, unterbrach Joice ihre Herrin scharf.
Liana dachte, daß es vielleicht leichter sein würde, hundert Güter zu verwalten, als einen Mann zu erfreuen. Sie war sich nicht sicher, ob sie alle Regeln im Kopf behalten konnte, was
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