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Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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herunterstieg und auf sie zuschritt. Wollte er sie selbst vom Pferd heben und nicht darauf warten, bis ihr Vater, der vor ihr ritt, diese Aufgabe erledigte?
    Ihr Pferd bewegte sich so langsam, daß sie fast verrückt wurde. Vielleicht konnte er jetzt sehen, daß sie die Frau vom See war, und freute sich. Vielleicht hatte er in den letzten drei Monaten so oft an sie denken müssen wie sie an ihn.
    Doch Rogan kam nicht zu ihr, um sie vom Pferd zu heben. Tatsächlich warf er nicht einmal einen Blick in ihre Richtung, soweit sie das erkennen konnte. Statt dessen trat er an das Pferd ihres Vaters heran und faßte dieses am Zügel. Die ganze Prozession kam zum Stillstand, während Liana zusah, wie Rogan ernsthaft auf ihren Vater einredete. Liana beobachtete verwirrt die Szene, bis Helen ihr Pferd nach vorn drängte und dann neben ihrer Stieftochter wieder verhielt.    
    »Was hat dieser rote Teufel jetzt wieder im Sinn?« fauchte Helen. »Die beiden täuschen sich sehr, wenn sie glauben, wir würden warten, während sie über Falken reden.«
    »Da er jetzt bald mein Mann sein wird, nehme ich an, daß wir warten müssen«, sagte Liana kühl. Sie hatte Helens ständige Klagen über Rogan satt.
    Helen trieb ihr Pferd vorwärts und hielt dann neben ihrem Gatten wieder an. Liana vermochte bei dem Lärm, den die vor der Kirche versammelten Leute machten, nicht zu verstehen, was dort vorne gesprochen wurde; aber sie konnte sehen, wie zornig Helen geworden war. Gilbert machte ein ausdrucksloses Gesicht und lehnte sich sogar ein wenig im Sattel zurück, während Helen wütend auf Rogan einredete. Doch Rogan blickte nur kurz zu ihr hinüber, ohne sie wirklich zu sehen.
    Liana hoffte, daß er sie niemals mit so leeren Augen ansehen würde. Nach einer Weile blickte Rogan um sich, als sähe er die Menge zum erstenmal, und dann, als fiele ihm erst jetzt ein, daß er heiraten sollte, blickte er zu Liana hin, die ruhig auf ihrem Pferd saß. Liana hielt den Atem an, als seine kalten Augen sie von Kopf bis Fuß musterten. Da war nichts in seinen Augen, was darauf hin-deutete, daß er sie wiedererkannte, und sie war froh darüber; denn sie wollte nicht riskieren, daß er sich weigerte, sie zu heiraten. Als er die Augen hob, um ihrem Blick zu begegnen, senkte sie die Wimpern und hoffte, daß sie einen züchtigen und gehorsamen Eindruck machte.
    Nach einigen Sekunden schlug sie die Augen wieder auf und sah, daß Rogan zur Kirchentreppe zurückging und Helen auf sie zuritt.
    »Der Mann, den du zu heiraten gedenkst«, sagte Helen im verächtlichen Ton, »hat den Preis für zwölf weitere Ritter gefordert. Er sagte, er würde sofort wieder abreisen und dich hier stehenlassen, wenn er das Geld für die Ritter nicht bekäme.«
    Lianas Augen weiteten sich vor Schrecken. »Hat mein Vater zugestimmt?«
    Helen schloß einen Moment die Augen. »Er hat zugestimmt. Und nun laß uns die Sache hinter uns bringen.« Sie trieb ihr Pferd wieder an und ritt hinter Liana zur Kirche.
    Gilbert half seiner Tochter vom Pferd, und sie ging die Kirchentreppe hinauf, um dort ihrem zukünftigen Mann zu begegnen. Die Trauungszeremonie war kurz, die Gelübde nicht anders, als sie nun schon seit Jahrhunderten Brauch waren in diesem Land. Liana hielt während der Trauung die Augen gesenkt; aber als sie gelobte, »demütig und gehorsam zu sein am Tisch und im Bett«, jubelte die Menge ihr zu. Zweimal warf sie einen verstohlenen Seitenblick auf Rogan, doch er schien nur ungeduldig zu sein, bald wieder von hier fortzukommen — so ungeduldig wie sie selbst, dachte sie mit einem Lächeln.
    Als sie zu Mann und Frau erklärt wurden, jubelte die Menge abermals, und Bräutigam und Braut, deren Familien und Gäste, gingen in die Kirche zur Messe; denn die Trauung war Sache des Staates und fand deshalb vor der
    Kirche statt, während die Messe eine Angelegenheit Gottes war. Der Priester segnete ihre Heirat und begann dann die Messe.
    Liana saß still neben dem ihr eben angetrauten Mann und lauschte den lateinischen Gesängen, die stundenlang zu dauern schienen. Rogan blickte sie weder an noch suchte er einen Körperkontakt mit ihr. Er gähnte ein paarmal, kratzte sich ein paarmal und streckte seine langen Beine von sich. Einmal glaubte sie sogar ein Schnarchen von ihm zu hören; aber sein Bruder stieß ihn in die Rippen, und Rogan setzte sich auf der harten Bank wieder gerade.
    Nach der Messe ritt die Hochzeitsgesellschaft wieder zurück zur Burg, während die Bauern sie mit

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