Die Zaehmung
im Dorf zurückgekehrt«, sagte Joice, »und die anderen sechs haben Angst vor Euch.«
Da sprach Stolz aus Joicens Stimme, und Liana dachte an die Ironie, daß das Lob aus dem Mund der Frau kam, die ihr tagtäglich Unterwürfigkeit in der Ehe gepredigt hatte. Hätte sie auch weiterhin Joices Rat befolgt, wäre es nie zu der vergangenen Nacht gekommen.
»Gut!« sagte Liana in entschiedenem Ton, die Bettdecke zurückschlagend. »Wir werden die Furcht ausnützen, solange sie anhält. Vielleicht solltest du zu den anderen sechs Wochentagen von Gift reden und . . . Schlangen. Ja, das ist gut. Wenn eine Magd ihre Arbeit nicht macht, könnte ich versucht sein, ihr Schlangen ins Bett zu legen.«
»Mylady, ich glaube nicht, daß . . .«
Liana sprang aus dem Bett und drehte sich rasch zu ihrer Kammerdienerin um. »Du glaubst was nicht, Joice? Daß ich meinen eigenen Verstand gebrauchen soll? Glaubst du, ich sollte lieber deinen Rat befolgen?«
Joice wußte, daß sie die Macht über ihre Herrin verloren hatte. »Nein, Mylady«, flüsterte sie, »Ich meinte . . .« Sie konnte den Satz nicht beenden.
»Hole mir mein grünes Seidenkleid, und dann kommst du und richtest mir die Haare«, befahl Liana. »Heute fange ich damit an, mein Haus zu säubern.«
Die Leute von Moray Castle fanden, daß das blasse Kaninchen sich tatsächlich in die Feuerlady verwandelt hatte. Sie waren daran gewöhnt, für die Peregrine- Brüder zu arbeiten, die von jedem gleich fünf Dinge auf einmal verlangten; aber diese kleine Frau in dem schimmernden grünen Kleid und mit den dicken blonden Zöpfen auf dem Rücken verlangte ihnen zehnmal mehr Arbeit ab als ihre männliche Herrschaft. Sie rief jeden Ritter und jeden Mann von seiner täglichen Verrichtung ab und ließ sie alle Müll und Abfälle beseitigen. Sie gab ihnen Schaufeln, damit sie die Asche aus den Kaminen entfernten. Eimer für Eimer wurde, mit Knochen und Schmutz gefüllt, aus der Burg getragen und in die nun leeren Neville-Fuhrwerke gekippt, die diesen Unrat anschließend abtransportierten.
Liana beauftragte Zared, sich noch drei Jünglinge zu suchen, und die vier begannen nun die Ratten zu töten. Sie schickte Männer ins Dorf, die Frauen anheuerten, damit sie die Wände, Fußböden und Möbel in der Burg schrubben sollten. Sie heuerte auch Männer an, denen sie befahl, mit gewichtbeladenen Netzen den Burggraben zu reinigen; aber als die Netze in der Jauche nicht untergehen wollten, sondern obenauf schwammen, gab sie den Männern den Befehl, die Jauche abfließen zu lassen — wenn sie überhaupt noch so flüssig war, dachte sie bei sich.
Aber die Männer weigerten sich, ihren Befehl auszuführen, weil sie Lord Rogans Schwert mehr fürchteten als ihr Feuer.
»Mein Mann wird die Erlaubnis dazu geben«, sagte sie zu den beiden Männern, die vor ihr standen und um ihr Leben bangten.
»Aber, Mylady, der Graben ist zur Verteidigung der Burg da und . . .«
»Verteidigung«, schnaubte Liana. »Ein Feind könnte über diese Brühe gehen, so dick ist sie inzwischen geworden!«
Doch sie konnte sagen, was sie wollte — die Männer weigerten sich, die Jauche mit Hilfe eines Grabens abzuleiten.
Liana knirschte mit den Zähnen. »Wo ist mein Gatte jetzt? Ich werde zu ihm gehen und die Sache zwischen uns klären.«
»Er peitscht gerade Bauern aus, Mylady!«
Liana brauchte einen Moment, ehe sie begriff, was die beiden sagten. »Was macht er?« flüsterte sie.
»Wenn jemand stiehlt, peitscht Lord Rogan die Männer aus, bis ihm einer verrät, wer der Dieb ist.«
Liana hob ihre Röcke an und lief in den Burgfrieden hinein. Während ihr Pferd gesattelt wurde, ließ sie sich die Richtung angeben, in die ihr Mann und dessen Bruder geritten waren, und einige Minuten später galoppierte sie, von sechs bewaffneten Rittern begleitet, in das Land hinaus.
Der Anblick, der sich ihr dann bot, war schrecklich. Ein Mann war an einen Baum gebunden, sein Rücken blutüberströmt von den Peitschenhieben, die er erhalten hatte. Drei weitere Männer standen beisammen und schlotterten vor Angst, während ein Ritter die blutige Peitsche über ihnen schwang. Vier Frauen und sechs Kinder standen weinend dabei, und zwei Frauen lagen vor Rogan auf den Knien und flehten um Gnade. Sechs Peregrine-Ritter waren bei Rogan und Severn versammelt, die beide offenbar so sehr in ein Gespräch vertieft waren, daß sie darüber ihre Umgebung vergaßen.
»Aufhören!« schrie Liana und sprang von ihrem Pferd herunter, ehe
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