Die Zaehmung
dieses zum Stehen kam. Sie stellte sich vor die um Gnade winselnden Farmer. »Tötet sie nicht«, sagte sie, Rogan in die harten grünen Augen sehend.
Rogan und seine Männer waren so schockiert — und der Ritter mit der Peitsche ebenfalls —, daß sie einen Moment wie versteinert dastanden. »Severn, schaff sie weg«, befahl Rogan dann.
»Ich werde herausfinden, wer dich bestiehlt«, rief Liana und wich behende zur Seite, als Severn sie ergreifen wollte. »Ich werde dir die Diebe ausliefern, und dann magst du sie bestrafen; aber nicht diese Leute, die gar nichts dafür können.«
Ihre Handlungsweise und ihre Worte brachte jedermann zum Verstummen — angefangen bei Rogan bis hin-unter zu den Kindern, deren Vater an den Baum gefesselt
war.
«Du?« sagte Rogan, fassungslos und überrascht.
«Gib mir zwei Wochen Zeit«, sagte Liana atemlos, »und ich werde deinen Dieb finden. Terrorisierte Bauern bringen keine gute Ernte.«
«Terrorisierte . . .« begann Rogan, und erholte sich jetzt von seinem Schock. »Schaff sie mir endlich aus den Augen!« schnaubte er seinen Bruder an.
Severns kräftiger Arm legte sich um Lianas Taille und zog sie von den drei verurteilten Männern weg. Liana überlegte blitzschnell und rief: »Ich gehe jede Wette ein, daß ich in zwei Wochen deine Diebe finde. Ich habe eine Truhe voller Edelsteine, die du noch nicht gesehen hast. Smaragde, Rubine, Diamanten. Ich gebe sie dir, wenn ich dir nicht binnen zweier Wochen die Diebe ausliefere.«
Wieder wurde es still unter den Bäumen, während die hier versammelten Leute sie anstarrten und sich alle fragten, was für eine Gattung von Frau sie wohl sei. Rogan fragte sich das am allermeisten.
Severns Griff um Lianas Taille lockerte sich, und sie trat an ihren Gatten heran, blickte zu ihm hoch und legte ihre Hand auf seine Brust. »Ich habe herausgefunden, daß Schrecken nur Schrecken erzeugt. Es ist nicht das erstemal, daß ich mich mit Dieben auseinandersetzen muß. Laß mich das jetzt auf meine Art tun. Wenn ich mich irren sollte, magst du sie meinetwegen in zwei Wochen töten, und du bekommst meine Juwelen.«
Rogan konnte sie nur mit offenem Mund anstarren. In der letzten Nacht hätte sie ihn fast mit einem Feuer im Bett getötet, und nun schloß sie wie ein Mann eine Wette mit ihm ab und mischte sich in seine Angelegenheiten ein. Es juckte ihn, sie doch noch ins Burgverlies werfen zu lassen.
»Ich könnte dir die Juwelen auch so wegnehmen«, hörte er sich sagen, während er sie betrachtete und sich daran erinnerte, wie lebendig sie in der letzten Nacht gewesen war. Ein heftiges Verlangen nach ihr überkam ihn plötzlich, und er drehte sich von ihr weg, ehe er sie vor seinen Männern ins Gras warf.
»Sie sind gut versteckt«, sagte sie leise und legte ihm die Hand auf den Arm. Sie war von dem gleichen Verlangen ergriffen worden wie er.
Rogan schüttelte ihre Hand ab. »Schafft mir diese stehlenden Halunken aus den Augen«, sagte er barsch, da er so rasch wie möglich aus ihrer Nähe wegkommen wollte. »In zwei Wochen werde ich einer Frau eine Lektion erteilt haben und die Juwelen bekommen«, sagte er, bemüht, die Sache herunterzuspielen, um in den Augen seiner Ritter nicht unmännlich zu erscheinen. Doch ein Blick auf seinen Bruder und seine bewaffneten Männer belehrte ihn, daß sie die Angelegenheit gar nicht lächerlich fanden, sondern Liana mit großem Interesse musterten.
Rogan fluchte in Gedanken. »Wir reiten«, knurrte er dann, auf sein Pferd zugehend.
»Warte«, sagte Liana und lief ihm nach. Ihr Herz klopfte ihr bis in den Hals hinauf, denn sie wußte, daß das, was sie jetzt sagen wollte, ein großes Wagnis darstellte. »Was bekomme ich, wenn ich die Wette gewinne?«
»Was?« erwiderte Rogan, sie anfunkelnd. »Du bekommst die verdammten Diebe. Was willst du noch?«
»Dich«, sagte sie, die Hände auf die Hüften gelegt, und lächelte zu ihm hinauf. »Wenn ich die Wette gewinne, möchte ich dich einen ganzen Tag lang als Sklaven haben.«
Rogan gaffte sie nun abermals mit offenem Mund an. Er sollte diesem Weib ein paar Streifen Haut vom Rücken fetzen, um ihr beizubringen, wie man sich als Frau zu be-nehmen hatte. Er sagte kein Wort und stellte den rechten Fuß in den hölzernen Steigbügel.
»Moment noch, Bruder«, rief Severn grinsend. Er hatte sich von diesem neuerlichen Schock rascher erholt als die anderen. Niemand — er eingeschlossen — hatte bisher erlebt, daß Rogan auf solche Weise herausgefordert wurde.
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