Die Zaehmung
nur den Rücken zuzukehren, und schon . . .«
»Deine Frau hat das alles bewirkt, nicht ich«, sagte Severn, der seine gute Laune nicht verlor. »Sie hat in diesen wenigen Wochen mehr geleistet als du und ich in . . .« Er hielt inne, als Rogan sich an ihm vorbeidrängte und die Treppe zur Halle hinauflief.
»Wird das Töten nun aufhören?« wagte einer der Bauern zu fragen.
Severn war ja kein geringerer Heißsporn als sein älterer Bruder, und so nahm er jetzt gleich zwei Stufen auf einmal, als er die Treppe zur Halle hinaufstürmte. Nur Zared hielt sich in der Lord’s Chamber auf. »Wo ist er?« schnaubte Severn Zared an.
»Dort.« Zared deutete auf die Tür des Raumes, den sie Brütezimmer nannten. Es gehörte nach der Tradition der Peregrines immer dem Oberhaupt der Familie — zuerst ihrem Vater, dann Rowland und nun Rogan. Dieser Raum war für jeden Unbefugten tabu. Wenn ein Mann sich darin aufhielt, durfte er nur gestört werden, wenn ein Angriff auf die Burg drohte.
Severn durchmaß rasch die kurze Strecke bis zur Tür und stieß sie dann auf, ohne anzuklopfen.
»Mach, daß du verschwindest!« brüllte Rogan, und seine Stimme verriet seinen Schock über diese Autoritätsverletzung.
»Und soll mir von den Männern sagen lassen, daß mein Bruder ein Feigling ist? Mir anhören, daß sie sagen, er würde die Ehrenschuld einer Wette nicht einlösen?«
»Die Wette einer Frau», höhnte Rogan.
»Aber eine Wette, die in aller Öffentlichkeit abgeschlossen wurde — vor mir, deinen Rittern, sogar vor den Bauern.« Severn beruhigte sich ein wenig. »Warum gibst du der Frau nicht, was sie wünscht? Sie wird dich vermutlich auffordern, mit ihr ein Duett zu singen oder daß du ihr Blumen ins Haus bringst. Wie schlimm kann es wohl sein, wenn du einen Tag lang der Sklave einer Frau bist?
Zumal der Sklave dieser Frau. Ihre ganze Sorge scheint zu sein, daß dein Haus sauber ist . . . und du. Der Himmel weiß, warum. Sie stellt Zared und mit hunderterlei Fragen, die sich alle um dich drehen.«
»Und du hast ihr zweifellos alles über mich erzählt. Dir scheint das Schwätzen mit Frauen ja Spaß zu machen. Du und deine verheiratete Herzogin . . .«
»Sag jetzt bloß nichts, was du bereuen wirst«, schnaubte Severn. »Ja, ich rede mit Iolanthe. Sie hat einen Kopf auf ihren Schultern, und das scheint auf deine Frau ebenfalls zuzutreffen. Sie hatte recht, als sie sagte, sie würde die Bauern dazu bringen, dir die Diebe auszuliefern. Zwei Jahre lang haben wir die Leute ausgepeitscht und geschlagen, und dennoch haben sie uns nach Strich und Faden ausgeplündert. Doch sie hat sie nur gefüttert und dazu gebracht, ein Bad zu nehmen, und schon küssen sie ihr die Füße.«
»Sie werden sich so sehr daran gewöhnen, unsere Kühe zu essen, daß sie aufhören zu arbeiten und von uns erwarten, daß wir sie mit allem versorgen. Was werden sie als nächstes von uns verlangen? Seidene Kleider? Pelze, damit sie im Winter nicht frieren müssen? Pfauenzungen zum Dinner?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Severn aufrichtig; »aber die Frau hat die Wette mit dir gewonnen.«
»Sie ist so wie diese Bauern. Wenn ich ihr heute gebe, was sie von mir verlangt — welche Forderung wird sie dann morgen an mich stellen? Daß ich ihr die Verwaltung unserer Ländereien überlasse? Daß sie auch über die Leute zu Gericht sitzen darf? Vielleicht soll ich ihr sogar die Ausbildung der Ritter anvertrauen.«
Severn blickte seinen Bruder eine lange Sekunde an. »Warum hast du Angst vor ihr?«
»Angst vor ihr?« schrie Rogan. »Ich könnte sie mit meinen bloßen Händen in zwei Stücke zerreißen. Ich könnte sie ins Verlies werfen lassen. Ich könnte sie und ihre schnippischen Dienerinnen nach Bevan schicken und sie nie wieder sehen. Ich könnte . . .« Er stockte und ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen.
Severn blickte Rogan verblüfft an. Hier saß sein großer, starker, unbezwingbarer Bruder — der Mann, der vor keiner Schlacht zurückzuckte — und sah um sich wie ein verängstigtes Kind. Ihm gefiel dieser Anblick gar nicht. Rogan war doch immer so selbstsicher, wußte stets, was zu tun war. Er zögerte niemals, wenn es galt, eine Entscheidung zu treffen, und wankte niemals, wenn er sich zu etwas entschlossen hatte. Nein, verbesserte Severn im stillen, Rogan traf keine Entscheidungen — er wußte, was getan werden mußte.
Severn ging zurück zur Tür. »Ich werde irgendeine Ausrede für die Männer erfinden. Natürlich kann ein
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