Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zaehmung

Titel: Die Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
Felsen reden. Hier, versuch das mal. Es ist ein kandierter Pfirsich, und vielleicht wird dir auch das Brot schmecken. Es ist kein Sand darin.«
    Ehe Rogan wußte, was er tat, lag er schon halb auf der gepolsterten Fensterbank, aß eine Köstlichkeit nach der anderen und vergeudete den Tag damit, daß er sich einen Haufen Unsinn über die Reinigung der Burg anhörte. Er sollte jetzt natürlich bei seinen Männern sein und mit ihnen das Waffenhandwerk üben. »Wie viele Goldstücke?« hörte er sich sagen.
    »Wir fanden sechs Goldstücke, zwölf Silbertaler und über hundert Kupferpfennige im Burggraben. Auch entdeckten wir acht Leichen in der Schlammbrühe, die wir begruben.« Sie bekreuzigte sich. »Warte, du liegst nicht bequem. Strecke dich aus und lege deinen Kopf in meinen Schoß.«
    Rogan wußte, daß er den Söller verlassen sollte, und er hatte sie noch nicht einmal nach der Wette gefragt; aber er war müde, und der Wein entspannte ihn. Er streckte seine Beine auf der langen Bank aus und legte den Kopf in ihren weichen Schoß. Die Seide ihres Rockes fühlte sich gut an auf der Wange, und sie massierte seine Schläfen und seine Kopfhaut sanft mit den Fingerspitzen. Als sie zu summen begann, schloß er die Augen.
    Liana blickte auf den schönen Mann hinunter, der in ihrem Schoß schlief, und sie wünschte, daß dieser Augenblick nie enden möge.
    Er sah so viel jünger aus, wenn er schlief. Da beeinträchtigte kein finsteres Stirnrunzeln seine Hübschheit, und das Gewicht seiner Verantwortung lastete nicht so schwer auf seinen breiten Schultern.
    Er schlief fast eine Stunde lang friedlich in ihrem
    Schoß, bis Severn, befrachtet mit fünfzig Pfund klirrendem Harnisch und Beinschienen, in den Söller kam.
    Der kriegsgeübte Rogan setzte sich blitzschnell auf. »Was ist passiert?« fragte er, und alle Weichheit war von ihm gewichen.
    Severn blickte zwischen seinem Bruder und seiner Schwägerin hin und her. Er hatte noch nie erlebt, daß Rogan vor Sonnenuntergang auch nur einen Blick an eine Frau verschwendete, geschweige denn seinen Kopf in ihren Schoß legte. Es war ein Schock für ihn, so einen weichen Zug in seinem harten älteren Bruder entdecken zu müssen. Er spürte, wie sich seine Brauen zusammenschoben.
    Severn hatte die Partei seiner Schwägerin ergriffen; aber es war eher Rogans Starrköpfigkeit, die Severn veranlaßte, einen gegensätzlichen Standpunkt einzunehmen, wenn er sich mit seinem älteren Bruder stritt. Doch dieser Anblick gefiel ihm nicht. Es behagte ihm nicht, wenn diese Frau Rogan vergessen ließ, wo er jetzt eigentlich sein sollte. Erst vor ein paar Stunden hatte Rogan sich davor gefürchtet, seine Frau nach wochenlanger Abwesenheit wiederzusehen. Severn war ein wenig amüsiert gewesen über die Verzagtheit seines Bruders; aber vielleicht hatte Rogan Grund, die Macht dieser Frau zu fürchten. Konnte sie ihn etwa seine Pflichten vergessen lassen? Seine Ehre? Sie liebte, es, Frieden zwischen den Bauern und der Herrschaft zu stiften; aber ging ihre friedliebende Art so weit, daß sie Rogan vergessen lassen wollte, daß die Peregrines mit den Howards in Fehde lagen?
    Severn wollte nicht erleben, daß sein älterer Bruder sich veränderte. Er wollte nicht, daß sich Rogans harte Kanten abschliffen. Wenn er kindische Spiele mit einer Frau trieb, war das eine Sache; aber nicht, wenn er darüber seine Pflichten am hellen Tag vergaß.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, daß wir heute Feiertag haben und unserem Vergnügen frönen können«, meinte Severn sarkastisch. »Ich bitte um Entschuldigung. Ich werde den Männern sagen, daß sie ohne mich üben sollen, und werde dann Recht sprechen über die Bauern, die mit ihren Streitfällen zu mir kommen wollten, weil du zu . . . beschäftigt bist.«
    »Geh und trainiere die Männer«, fauchte Rogan. »Ich werde Gericht halten, und wenn du nicht erleben willst, wie du deine eigene Zunge ißt, halte sie lieber still.«
    Severn drehte sich noch rechtzeitig um, daß Rogan sein Lächeln nicht sah. Das war sein Bruder — der Mann mit der polternden Stimme und dem finsteren Blick, der Mann, der ihn so behandelte, als wäre er noch ein kleiner Junge. Es war in Ordnung, wenn eine Frau eine Burg umkrempelte; aber Severn gefiel es nicht, wenn sie auch noch Rogan umzukrempeln versuchte. Als ob ihr das gelingen könnte! dachte er grinsend. Nichts und niemand konnte Rogan verändern.
    Liana hätte Severn am liebsten seine Beinschienen an den Kopf geworfen. Sie erkannte

Weitere Kostenlose Bücher