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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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dazu sagen konnte, wurde die Tür des Polizeireviers geöffnet.
    »Juhuuu – irgendwer hier?«, tönte eine Stimme, deren Klang dazu führte, dass Morell auf einen Schlag alle Haare zu Berge standen.
    Er schnappte Benders Arm, riss seinen Assistenten so heftig zu sich in die Küche, dass dieser laut aufschrie, und schloss die Tür.
    »Au, Chef, Sie tun mir weh!«
    Morell ging nicht darauf ein und zog stattdessen Benders Kopf näher zu sich. »Hör zu«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Wenn ich Agnes Schubert heute zu Gesicht bekomme, dann wird sie diese Begegnung nicht heil überstehen. Wenn ich diese auftoupierte Dumpfnudl jetzt sehen, hören oder riechen muss, dann könnte es sein, dass bei mir eine Sicherung durchbrennt und ich nicht mehr weiß, was ich tue.«
    Bender starrte seinen Vorgesetzten mit offenem Mund an.
    »Du weißt, dass ich ein guter, netter Mensch bin«, fuhr der Chefinspektor fort. »Du weißt, dass ich unter normalen Umständen niemals einem Lebewesen ein Haar krümmen würde.«
    Bender erinnerte sich an die vielen vorwurfsvollen Blicke, die er schon kassiert hatte, weil er Fliegen oder Mücken im Revier erschlagen hatte, und nickte.
    »Heute ist leider kein normaler Tag. Ich bin übermüdet, stehe unter Druck und kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so schlechte Laune hatte.«
    »Die Entschlackungskur«, flüsterte Bender, der sich noch genau an damals erinnern konnte.
    »Nein«, sagte Morell, »diesmal ist es sogar noch schlimmer. Und deshalb darf ich jetzt auf gar keinen Fall in ein und demselben Raum wie Frau Schubert sein. Wenn du es schaffst, sie loszuwerden, dann rettest du damit nicht nur mich, sondern ersparst auch der Schubert einiges an Kummer und Schmerzen.«
    Bender, der seinen Chef noch nie zuvor so erlebt hatte, nickte wortlos.
    »Gut, dann geh jetzt da raus und werd sie bitte, bitte los!«
    Bender nickte erneut und griff zur Türklinke.
    »Noch was, Robert«, sagte Morell.
    »Ja?«
    »Vielen Dank – ich stehe für immer in deiner Schuld.«
    Bender öffnete die Tür einen Spalt breit und schlüpfte ins Vorzimmer.
    »Nein, es ist dringend!«, hörte Morell Agnes Schubert kreischen, als er sein Ohr an die Tür legte. »Ich werde auf gar keinen Fall wieder nach Hause gehen. Ich bestehe darauf, jetzt sofort mit dem Kommissar zu sprechen. Es ist wichtig!«
    Es folgte ein Wortwechsel, den Morell nicht verstehen konnte, aber nach einiger Zeit fing Agnes Schubert wieder an, so laut zu schreien, dass er jedes Wort verstand, ohne an der Tür lauschen zu müssen.
    »Lassen Sie mich los, Sie Grobian!«, rief sie. »Ich werde mich beim Kommissar über Sie beschweren!«
    »Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen«, jetzt war es Bender, der schrie. »Der Chefinspektor ist verdammt nochmal nicht hier!«
    »Davon möchte ich mich lieber selber überzeugen! Ich habe doch genau gesehen, dass der Streifenwagen auf dem Parkplatz steht.«
    Das Nächste, was Morell mitbekam, war das Geräusch von entschlossenen Schritten in Richtung Chefbüro.
    »Halt, Sie dürfen da nicht rein!«, rief Bender. »Sie ... Sie ... Sie Stalkerin!«
    Die Tür zu Morells Büro wurde geöffnet und wieder geschlossen.
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er nicht da ist«, sagte Bender triumphierend.
    »Das werden wir ja sehen.«
    Die Schritte kamen nun näher, und schließlich hörte Morell Frau Schuberts Stimme nur wenige Zentimeter vor der Küchentür. »Diese Tür gibt’s ja auch noch. Vielleicht ist er ja in der Küche.«
    »Stopp, Sie dürfen die Tür nicht öffnen!«, schrie Bender, und seine Stimme war voller Verzweiflung. »Das ist privat!«
    »Ich bin ja auch privat hier«, sagte Frau Schubert.
    Es vergingen ein paar Sekunden, die von einem Handgemenge akustisch untermalt wurden, dann wurde die Tür aufgerissen.
     
    ...
    Die Küche war leer. Ein kalter Windhauch und der Gestank von angebrannten Waffeln schlugen Agnes Schubert ins Gesicht.
    »Wer lässt denn bei so einem Wetter das Fenster offen stehen?«, fragte sie und sah sich in dem Raum um. Sie schloss das Fenster, drehte das Waffeleisen ab und hiefte das dunkelbraune Gebäck auf einen Teller. »Männer sind ohne Frauen einfach aufgeschmissen«,
murmelte sie leise und war mehr denn je davon überzeugt, dass Otto Morell unter die Haube musste.
     
    ...
    Der Chefinspektor rannte fluchend um das Polizeirevier herum. Er musste den Streifenwagen erreichen und wegfahren, bevor die Schubert aus dem Gebäude kam. Er dankte innerlich dem Architekten, der

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