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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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lebendigem Leib verbrennt.«
    John zitterte am ganzen Körper, der Atem brach aus ihm heraus wie unterdrücktes Schluchzen, übermäßig laut in der Stille des Hauses. Als er die Hände ausstreckte, zitterten sie unkontrolliert, und er legte sie vor sich auf den Tisch. Er sah Kate direkt in die Augen und erzählte ihr, was er noch keinem anderen Menschen erzählt hatte. »Ich habe zugesehen, wie Vespian verbrannte, und dabei nichts als Genugtuung empfunden.«
    Sie versuchte, die Tränen wegzublinzeln, doch sie ließen sich nicht aufhalten und sie wischte sie sich mit der zittrigen Hand ab.
    »Jetzt weißt du, mit was für einem Mann du heute Nacht geschlafen hast«, sagte er. »Du weißt, was ich getan habe. Warum ich es getan habe.« Er zuckte die Schultern. »Ausgleichende Gerechtigkeit? Ein guter Cop, der zum Verbrecher wurde? Oder einfach nur vorsätzlicher Mord?«
    Einen Moment lang saßen sie schweigend da, die Stille nur durchbrochen von seinem laut pochenden Herz und dem Heulen des Windes um das Dach. Dann räusperte sich Kate und fragte: »Wussten deine Kollegen, dass du es getan hast?«
    »Sie haben mich von Anfang an verdächtigt. Man muss ja auch nicht gerade ein Genie sein, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Es dauerte nicht lange, und die Cops fingen an rumzuschnüffeln.« Er lächelte gezwungen. »Aber ich war vorsichtig gewesen, hatte ihnen nichts Handfestes hinterlassen. Sie hatten nur den Indizienscheiß gegen mich.«
    »Trotzdem genug, um dich vor die Grand Jury zu bringen.«
    »Schon, aber die Jury brauchte nicht mal eine Stunde, um zu entscheiden, dass die Beweise für eine Anklage nicht ausreichten.« Er lächelte. »Na ja, die wirklichen Beweise deuteten alle auf Vespians Partner hin. Das weiß ich, weil ich sie platziert habe. Das stand in keiner Akte.«
    »Vespians Partner wurde dann ja auch vor Gericht gestellt und verurteilt.«
    »Er sitzt lebenslänglich im Bundesgefängnis in Terre Haute.« John lächelte. »Also
das
nenne ich ausgleichende Gerechtigkeit.«
    »Und was hast du danach gemacht?«
    »Hab meinen alten Job wiedergekriegt. Durfte aber nur noch Schreibtischarbeit machen, weil sie dachten, ich sei eine Gefahr für die Gesellschaft. Ich war zu weit gegangen, Kate. Viel zu weit. Wenn man so was mal gemacht hat, kann man nicht mehr zurück. Der Boss wollte mich weghaben. Sie haben mir das Leben schwergemacht, und irgendwann haben sie’s geschafft.«
    »Und wie bist du beim BCI gelandet?«
    »Genau genommen hatte ich ja eine saubere Akte. Ich glaube, der Commander wollte mich unbedingt loswerden und hat ein paar Beziehungen spielen lassen. Fand jemanden, der mich übernahm. Was sollte man auch sonst mit einem psychopathischen, korrupten und hoch dekorierten Polizeibeamten tun?«
    »Du wurdest also an eine Stelle verfrachtet, wo du keine Probleme machen kannst.«
    »Richtig.« Er sah weg, das Gesicht verzerrt. »Aber wir beide wissen ja, dass Probleme es an sich haben, einen zu verfolgen. Die beim BCI haben die Nase ziemlich voll von mir. Und dann das Stigma, das viele Gepäck, das ich mit mir rumschleppe …« Er hob die Schulter, ließ sie wieder sinken. »Und nicht zu vergessen der Alkohol und die Tabletten.«
    »John.« Sie sagte seinen Namen mit großer Anteilnahme. »Wie schlimm ist es?«
    »Die Seelenklempner haben die Pillen wie Bonbons verteilt, um mich wieder auf die Reihe zu kriegen. Und ich hab das Zeug nur allzu gern geschluckt.«
    Er hasste den desillusionierten Ausdruck in ihren Augen. Aber Kate war nicht die Erste, die er seit dem Verlust seiner Familie enttäuscht hatte. Den Schuh konnte er sich bei so ziemlich allen anziehen, die er kannte, einschließlich sich selbst.
    »Und, schaffst du es?«, fragte sie.
    »Sagen wir mal so, ich bin eine Art Work-in-Progress.« John stand auf und ging um den Tisch herum zu ihr. Sie sah ihn groß an, als er ihre Oberarme umfasste, sie sanft vom Stuhl zog und ihr dann tief in die Augen blickte.
    »Mit dir zusammen zu sein«, sagte er. »Wie jetzt. Mit dir zu arbeiten – das hat geholfen, Kate. Ich fühle Dinge, die ich lange nicht mehr gefühlt habe. Ich möchte, dass du das weißt.«
    »Das tue ich«, sagte sie. »Ich weiß es.«

31. Kapitel
    Das Klingeln des Telefons reißt mich aus einem unruhigen Schlaf. Ich taste auf dem Nachttisch nach dem Hörer und drücke ihn ans Ohr, noch bevor ich ganz wach bin. »Hallo?«
    »Ist dort Chief Kate Burkholder?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich noch immer Polizeichefin, und

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