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Die Zahlen Der Toten

Die Zahlen Der Toten

Titel: Die Zahlen Der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Castillo
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seinem Privatleben passiert ist. Möglicherweise im Zusammenhang mit einer Frau. Einer Ehefrau oder Freundin. Er kann nicht gut mit Ablehnung umgehen und könnte sich rächen.«
    »Er hasst Frauen?«
    »Er hasst sie, aber er begehrt sie auch. Auf abartige Weise.«
    »Wie wählt er seine Opfer aus?«, frage ich.
    »Eine Frau fällt ihm ins Auge. Er beobachtet sie eine Zeitlang. Ein paar Tage, vielleicht eine Woche. Dabei lernt er ihren Tagesablauf kennen und findet heraus, wann sie am schutzlosesten ist. Wann er sie kriegen kann.«
    »Ich habe die Befragung der Zeugen auf die Stunden vor dem Verschwinden der Opfer begrenzt. Wenn dieser Kerl seine Opfer schon
Tage
vor der Verschleppung belauert hat, sollten wir besser mit allen reden, die mit Amanda Horner und Ellen Augspurger bereits vier oder fünf Tage vor ihrem Verschwinden Kontakt hatten.«
    »Da stimme ich zu.«
    »Bevorzugt er einen bestimmten Frauentyp?«
    »Beide Opfer sind jung, Anfang und Mitte zwanzig. Attraktiv. Zierlich.«
    »Das trifft auf viele Frauen in dieser Stadt zu.«
    Er nickt. »Fragen Sie weiter.«
    »Wo tötet er?« Ich denke laut. Was mir gerade in den Sinn kommt. Brainstorming.
    »Er braucht Abgeschiedenheit«, sagt er. »Einen Ort, an dem ihn niemand hören kann.«
    »Keller.«
    »Leerstehende Wohnhäuser oder sonstige Gebäude.«
    »Ein schalldichter Raum.«
    Er wirft mir eine Hürde hin. »Wenn er eine Frau hat, würde sie von dem Raum oder Keller wissen.«
    »Nicht, wenn er woanders ist. Außerhalb. In einem Mietobjekt.« Ich denke einen Moment darüber nach. »Warum glauben Sie, dass die Frau nicht involviert ist?«
    »Falls sie eine abhängige Persönlichkeit hat und er sie dominiert, wäre es möglich«, räumt er ein. »Aber ich halte das für unwahrscheinlich. Diese Morde sind zu brutal. Der Kerl hält sich nicht zurück. Er ist allein. Hemmungslos. Er lebt seine Phantasien vollkommen ungestört aus.«
    Plötzlich herrscht Schweigen. Wir sehen uns an. Tomasetti wirkt aufgeregt, wie ein Spürhund, der eine Fährte wittert.
    »Aufgabenverteilung«, sagt er nach einer Weile. »Ich muss wissen, wer wofür zuständig ist. Ihre Polizisten. Das Büro des Sheriffs. Damit wir keine Kraft verschwenden, weil alles doppelt gemacht wird.«
    Ich blättere in meinem Notizblock zu der Seite, wo die Aufgabenverteilung notiert ist. »Mona kann das für Sie tippen.«
    »Das Profil wird heute Nacht fertig.«
    Ich nicke. »Geben Sie es morgen früh Mona, sie verteilt es dann.«
    Er nimmt sich die
Schlächter
-Akte. »Kann ich die haben?«
    »Wenn Sie sie morgen wieder mitbringen.« Ich frage nicht, wann er vorhat zu schlafen.
    Tomasetti steht auf und streckt sich, wobei die Sig-Sauer-Halbautomatik in seinem Schulterholster zum Vorschein kommt. Mir fällt auf, dass er für einen Cop ungewöhnlich gut gekleidet ist: perfekt sitzendes Oxford-Hemd, teure Krawatte, gut geschnittener Anzug. Details, die mir nicht auffallen sollten.
    »Dann bis morgen früh.« Er geht zur Tür.
    Ich sehe hinter ihm her, bis er aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Wir haben nicht viel erreicht, aber das Profil ist ein Anfang. Und ich habe das Gefühl, ich kann mit ihm zusammenarbeiten. Er ist ein Gewinn für unser Team, ich hoffe nur, das reicht aus.
    Ich trete zum Fenster und blicke hinaus auf die menschenleere Straße, den glitzernden Schnee im Schein der Laterne. Meine Gedanken wandern zum Mörder, und ich frage mich, ob ihn gerade sein schauriger Hunger quält. Ob er irgendwo dort draußen Ausschau nach seinem nächsten Opfer hält. Ob er es womöglich schon gefunden hat.

19. Kapitel
    Das Willowdell Motel war ein schäbiges Loch, aber John hatte nichts anderes erwartet. Zwar versuchte die Geschäftsführung, die wunderliche Atmosphäre eines amischen Ambientes zu erzeugen, brachte aber nur eine schäbige Mittlerer-Westen-Variante zustande: zweitklassiger Teppichboden, hässliche Tagesdecke, lose Tapete im Bad und lauwarme, nach Zigaretten und Schimmel stinkende Luft aus dem Heizgerät. Aber das Zimmer war sauber, und mehr als ein Bett und eine Dusche brauchte er nicht. Der Fernseher funktionierte, er stellte den Fox-Nachrichtensender an und machte eine Flasche Chivas auf.
    Während sein Laptop das Programm lud, schenkte er sich einen Plastikbecher halbvoll und trank den größten Teil. Es war zu spät, um Harry Graves anzurufen, seinen Kontaktmann bei CASMIRC , dem Child Abduction and Serial Murder Investigative Resources Center des FBI , das eine zentrale Datenbank für

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