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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Das hatte die Hofdame nun davon!
    Obwohl ihre Glieder vor Kälte schmerzten und ihre Lunge bei jedem Atemzug zu platzen drohte, fühlte sich Olly so gut wie schon lange nicht mehr.
    »Warum sind wir eigentlich hierhergefahren?«, fragte sie mit fröhlicherer Stimme. »Nach meinen Wünschen hättest du mich auch in derStadt fragen können.« Seltsam, es fühlte sich gar nicht schlecht an, Anna zu duzen.
    Anna lächelte. »Aber dort hättest du mir nicht geantwortet. Dieser Ort hier, er hat irgendetwas Magisches … Plötzlich habe ich mich daran erinnert, dass ich als Kind immer hergekommen bin, wenn ich Sorgen hatte und nicht weiterwusste. Hier konnte ich all das laut werden lassen, was ich nirgendwo anders sagen durfte. Danach war mir immer leichter ums Herz.«
    Olly schüttelte den Kopf. »Wenn uns jemand gesehen hätte – zwei Furien, die sich anschreien. Wir würden auf der Stelle ins Irrenhaus gebracht werden. Du lieber Himmel, ich habe gar nicht gewusst, dass ich so laut werden kann.«
    »Ich bin wirklich froh, dass du dich mir endlich anvertraut hast.« Über den Rand ihrer Teetasse schaute Anna ihren Schützling an. »Jetzt, wo ich weiß, was du dir wünschst, können wir gemeinsam einen Plan entwerfen.« Im Geiste verdrehte sie die Augen ob ihrer Waghalsigkeit. Wenn der Zar hören würde, was sie hier zum Besten gab! Sei vorsichtig, lass dich nicht zu sehr von Olgas Euphorie mitreißen, versprich ihr nichts, was du nicht halten kannst, mahnte sie sich stumm, während sie sich im Speisezimmer ihres Landhauses umschaute.
    Marga, die alte Köchin, war in Freudentränen ausgebrochen, als Anna mit Olga erschien. Endlich wieder jemand aus der Familie, den sie verwöhnen konnte! Seit Annas Geschwister in der Stadt die Schule besuchten und Annas Mutter in Bad Doberan weilte, war es auf dem Gut einsam geworden. Der Verwalter sei zwar ein mürrischer Kauz, der sie nie für ihre Kochkünste lobte, seine Arbeit würde er jedoch bestens erledigen, brachte die Köchin unter Tränen hervor und wollte Anna gar nicht mehr loslassen. Binnen kürzester Zeit trug sie geräucherten Fisch, Schinken, Brot und Gurken auf den Tisch, und der Samowar blubberte vor sich hin – nur das Feuer, das sie hektisch im Kamin des Zimmers entzündet hatte, wollte noch nicht richtig brennen.
    »Ein Plan – wie du das sagst! Als ob das so einfach wäre.« Olly bliebwie selbstverständlich beim Du. Dann schob sie sich einen weiteren Bissen Räucherfisch in den Mund.
    Anna lächelte. So herzhaft hatte sie ihren Zögling noch nie zulangen sehen.
    »Einfach wird das nicht, das ist dir ja wohl selbst klar. Ich denke, du solltest deine Pläne als etwas Längerfristiges betrachten«, sagte sie und schenkte ihnen beiden Tee nach. »Es wäre ein großer Fehler, mit deinen Ideen überall und bei jedem gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, vielmehr gilt es, äußerst geschickt vorzugehen.« Mit der Teetasse in der Hand stand sie auf und ging zum Fenster. Sie spürte Olgas fragenden Blick in ihrem Rücken, doch sie ignorierte ihn und schaute stattdessen in die unendliche Weite ihrer russischen Heimat, als ob sie dort die Antworten auf ihre Fragen finden würde. Tief in ihrem Inneren hatte sich zwar in der letzten halben Stunde so etwas wie ein Plan entwickelt, aber war er ausgereift genug, um ihn der jungen Großfürstin schon kundzutun? Durfte sie das überhaupt?
    Anna zählte stumm bis zehn, dann drehte sie sich abrupt um.
    »Nur wer Macht hat, kann etwas bewirken!«
    »Macht? Aber … wieso …«
    »Schau mich an – wie sollte ich jemals etwas für die Alten und Kranken und Blinden tun können? Ich muss froh und dankbar sein, für meine Geschwister und die Menschen hier auf dem Hof sorgen zu können, mehr liegt nicht in meiner Macht. Aber die Tochter des russischen Zaren gehört zu den begehrenswertesten Partien auf der ganzen Welt, wer dich einmal zur Frau bekommt, kann sich glücklich schätzen. Du bist zwar noch nicht mächtig, aber du kannst es werden . Und nur wer Macht hat, kann damit Gutes tun.«
    Sie ging zurück zum Tisch, setzte sich, ergriff Ollys Hand.
    »Was ich dir sagen will: Es wird nicht ohne Ehemann gehen. Du musst einen reichen, mächtigen Mann heiraten, um selbst reich und mächtig zu werden. Nur als Ehefrau eines Königs oder Thronanwärters kannst du wohltätig sein und den Armen helfen.«
    »Als ob es mächtigen Herren darum ginge, anderen zu helfen! Die meisten Könige und Fürsten, die ich kenne, interessieren sich für

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