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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Tochter zu werben«, sagte der Zar. »Aber keine Sorge, wenn ihr Herz wirklich so sehr an Stephan hängt, soll er den Vorzug bekommen. Nur sollten Sie Olly eines klarmachen: Die Österreicher sind keine einfachen Verhandlungspartner, das Ganze wird seine Zeit brauchen. Nichts anderes habe ich zu Sascha von Anfang an gesagt. Aber die Jugend weiß ja immer alles besser. Allein die Frage der unterschiedlichen Religionen wird noch einiges an Verhandlungsgeschick brauchen. Nicht, dass ich darauf nicht vorbereitet wäre. Während wir hier ste henund uns unterhalten, wird in St. Petersburg ein Korps von Gesandten zusammengestellt, dessen Aufgabe es ist, in Wien die Lage zu sondieren.«
    »Sicher eine kluge Vorgehensweise«, sagte Anna dumpf. Hoffentlich bekam Olly nie mit, wie über sie gesprochen wurde. Zugegeben, wenn zwei Königskinder zueinanderfanden, ging das anders vonstatten, als wenn der Bäckergeselle die Metzgerstochter aus dem Nachbarladen heiratete, das wusste sie auch. Aber ein Gesandtenkorps, das die Lage sondierte und Verhandlungen führte? Das hörte sich alles schrecklich geschäftsmäßig an.
    »Olly ist so ein zauberhaftes Mädchen, jeder müsste sich glücklich schätzen, sie zur Frau zu bekommen«, sagte sie heftiger, als sie eigentlich wollte.
    »Sie haben völlig recht, meine Liebe. Die Wiener werden es gewiss nicht wagen, sie als Gattin für Stephan abzulehnen.«
    Anna fröstelte, als sie den eisigen Blick des Zaren sah, in dem so viel Bestimmtheit lag. Und was, wenn Olly inzwischen den Wiener ablehnte?
    Zar Nikolaus wischte ein unsichtbares Stäubchen von seinem Soldatenmantel. »Unter uns gesagt: Ich bewundere Olly für ihre Haltung. Mary hätte sich in solch einer Situation längst aufs Zetern und Toben verlegt, aber Olly hält sich soldatisch aufrecht. Dass sie so froher Stimmung durchs Leben schreitet, ist gewiss auch Ihrem Einfluss zu verdanken, meine Liebe.«
    Anna lächelte verkrampft. Ganz anders wurde es ihr, wenn sie dar an dachte, wem Ollys frohe Stimmung in Wahrheit zu verdanken war.
    Die Heimreise nach St. Petersburg dauerte Ewigkeiten, verlief aber glimpflich. Teile der Strecke legten sie komfortabel mit der Bahn zurück, andere weniger komfortabel in Kutschen oder per Schiff. Obwohl es Tag für Tag eine immense Leistung bedeutete, den großen Reisetross zu organisieren, blieben sie von Unfällen, Krankheiten und anderen Katastrophen verschont. Doch als sie am dritten September endlich Zarskoje Selo erreichten, schien die Welt untergehen zu wollen.
    Seitsie am frühen Morgen zum vorletzten Wegstück ihrer Reise aufgebrochen waren, regnete es unaufhörlich. Den Kutschpferden rann das Wasser in die Augen, mürrisch senkten sie ihre Köpfe, ähnlich dem Kutscher, der wie ein Häufchen Elend auf seinem Bock kauerte.
    Anna entgingen die beklommenen Blicke nicht, die Cerise und ihr Bruder tauschten. Bestimmt fragten sich die beiden, wo sie hier gelandet waren.
    Sie hingegen war so froh, wieder zu Hause zu sein, dass sie am liebsten durch den Regen getanzt wäre. Als schließlich von weitem der Katharinenpalast von Zarskoje Selo in Sicht kam, hätte nicht viel gefehlt und sie hätte vor Freude in die Hände geklatscht. Ein heißes Bad! Ein blubbernder Samowar! Dazu eine ordentliche Portion Klatsch und Tratsch aus den Petersburger Salons. Anna konnte es kaum erwarten.
    Olly, die ebenfalls von Wiedersehensfreude gepackt zu sein schien, sagte lächelnd: »Keine Sorge, dieser Dauerregen ist nicht typisch für unseren Herbst. Bestimmt reißt morgen der Himmel auf, und ihr dürft eure neue Heimat bei herrlichem Sonnenschein erleben. Aber ein Jammer ist’s dennoch. Vater hat sich für unseren großen Einzug in die Stadt gewiss besseres Wetter gewünscht.«
    »Bleiben wir nicht noch eine Nacht hier? Ich dachte, nur dein Vater und Sascha sind als Vorhut in die Stadt geritten?«, sagte Alexander, während zwei Wachen das schmiedeeiserne Tor öffneten, das die Einfahrt zum Katharinenpalast bewachte.
    Olly lachte. »Von wegen! Das Volk würde schön murren, wenn wir ihm den Anblick von Saschas Braut noch länger vorenthielten. Deshalb werden wir Damen uns jetzt hübsch machen, die Zähne zusammenbeißen, den Regen ignorieren und lächeln.« Sie drückte ihre Stirn an das beschlagene Wagenfenster. »Schaut, steht da hinten nicht Adini? Und neben ihr sehe ich Mutters Gewandmeisterin mit einer ganzen Armada an Zofen. Oje, die werden uns einschnüren, bis uns die Luft wegbleibt. Die Gewandmeisterin ist

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