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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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beiden jungen Frauen sie für eine äußerst dumme Kuh.
    Julia schloss die Augen, holte tief Luft. »Ich weine nicht wegen Olga Kalinowski, vielmehr bin ich in größter Sorge um eine andere junge Dame. Eine, die Ihnen mindestens so sehr am Herzen liegt …«
    *
    Das Landhaus der Fürstenfamilie Bariatinski lag außerhalb der Stadt inmitten einer von viel Wald umgebenen Wiese. Schon beim ersten Anblick nahm man die schnörkellose Schönheit wahr, die sich der malerischen Natur anpasste und nicht umgekehrt. Gäste, die zum ersten Mal herkamen, atmeten unwillkürlich tief aus, und eine friedvolle Stimmung erfasste jeden, der länger hier weilte. Fuhrwerke gelangten lediglich über eine einzige breite Birkenallee zu dem Anwesen, um das sich jedoch unzählige Fußwege schlängelten. Kleine Teiche wechselten sich ab mit sanften Hügeln, ein Bach plätscherte hinter dem Haus vorbei und ergoss sich ein Stückchen weiter in eine Art Sumpflandschaft.
    »Ist es nicht wunderschön hier? Wie in einem Zauberland. Ich habe noch nie so viele verschiedene Grüntöne auf einmal gesehen.« Die Arme ausgebreitet, drehte sich Olly im Kreis. »Ach, ich könnte die Welt umarmen!«
    »Umarme lieber mich«, sagte Alexander lachend. Er zog sie an sich, und gemeinsam tanzten sie zu einer Melodie, die nur sie hören konnten.
    »Nur noch zwei Wochen. Dann haben wir es geschafft«, murmelte Olly an seiner Brust. »Ich kann es kaum erwarten, die Heimlichtue rei endlichhinter uns zu lassen. Nach Saschas Hochzeit sind wir an der Reihe.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr«, sagte er. »Auch Cerise kann den Tag kaum erwarten, sie scheint ziemlich erschöpft zu sein. Die Stunden bei deiner Freundin Maria tun ihr daher mindestens so gut wie uns.«
    Wie in geheimer Absprache warfen beide einen Blick in Richtung Gutshaus, wo auf der mit naiven Schnitzereien verzierten Veranda Maria und Cerise bei Tee und Kuchen saßen und sich unterhielten.
    Inzwischen hatten sie die kleine Birkenholzbrücke erreicht, die über den Sumpf weiter hinein in den Wald führte. Olly hatte mehr als einmal das Gefühl, eine Rusalka, eine Waldfee, hinter einem Baum hervorblinzeln zu sehen.
    Goldene Sonnenstrahlen kreuzten ihren Weg, während Olly Alex ander von ihrem Gespräch mit dem bayerischen Erbprinzen erzählte.
    »Willst du ein wenig ausruhen?« Alexander wies auf eine verwitterte Parkbank, doch Olly verneinte. Sie war viel zu aufgewühlt, als dass sie längere Zeit hätte stillsitzen können. Stattdessen liefen sie immer tiefer in den Wald, bewarfen sich wie Kinder mit Tannenzapfen, rannten einander nach, küssten sich, wann immer einer den anderen zu fassen bekam, oder balancierten über gefällte Baumstämme.
    »Wie in Bad Ems«, sagten sie beide im selben Moment, und Olly hätte vor Glück heulen können.
    Sie lief gerade hinter Alexander über einen besonders großen Baumstamm, als sich ihre Schuhspitze in der Rinde verhakte und sie stolperte. Kreischend ruderte sie mit den Armen, um die Balance wiederzugewinnen.
    Alexander drehte sich zu ihr um, wollte sie festhalten – doch zu spät. Olly verlor das Gleichgewicht und landete mit einem lauten Platsch im knietiefen Morast.
    Einen Schrecksekunde lang sagte keiner etwas, dann lachten sie beide los.
    »Pfui Teufel! Ist das eklig«, rief Olly und schlug mit der flachen Hand auf den sumpfigen Waldboden.
    Alexanderkniete sich auf dem Baumstamm nieder und reichte ihr seine Hand. Doch der Morast war so schwer, dass er Ollys Kleider und sie selbst nach unten zog. Brauner Matsch durchweichte in Windeseile ihre Röcke und ihre Bluse, deren Puffärmel sich tonnenschwer anfühlten.
    »Eins, zwei, drei – jetzt!« Schwer atmend zog Alexander an ihren Armen. Olly kam sich vor wie ein Pferd, das in Treibsand gestrandet war.
    Endlich hatten sie es geschafft. Triefend vor Morast, mit zittrigen Knien stand Olly auf dem Baumstamm und schaute ratlos an sich hinunter. Wie sie derart zugerichtet auch nur einen Schritt gehen, geschweige denn den weiten Weg bis zum Haus zurücklegen sollte, war ihr schleierhaft.
    Alexander biss sich auf die Lippe. »Es hilft alles nichts, du musst dich ausziehen.«
    »Bist du verrückt? Ich kann doch nicht …« Entgeistert starrte sie ihn an, doch er hatte schon wieder ihre Hand gepackt und zog sie hinter sich her. Bei jedem Schritt gaben ihre Schuhe schmatzende Geräusche von sich.
    Nach wenigen Minuten hielt Alexander auf einer kleinen mit Moos bewachsenen Lichtung an und zeigte auf einen Stapel Brennholz, der

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