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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Machtverschiebungen. Ihr Minister und wichtigster Berater möchte, dass die Kaiserin sich klarmacht, welche Möglichkeiten sie hat.
    Aber sie soll sich Leutnant Potjomkin aus dem Kopf schlagen.
    Â»Ihre Majestät hat weit besser geeignete Verehrer«, sagt Panin mit dem nachsichtigen Lächeln eines Mannes, der die Schwächen der Menschen nur allzu gut kennt. Einer von denen, die er der kaiserlichen Gunst empfiehlt, hat schöne schwarze Augen. Sie muss lachen. »Alexander Wassiltschikow ist bescheiden und hat untadelige Manieren«, lockt Panin. Eine Atempause, eine Belohnung in ihrem arbeitsreichen Leben. Hat sie das denn nicht verdient?
    Sie ist nicht nur eine Frau. Sie ist Russlands Kaiserin.
    Leutnant Potjomkin ist so theatralisch. Er liebt dramatische Auftritte und große Gesten. Er ist gierig, unersättlich. Geplagt von Launen. Taumelt zwischen Ekstase und Verzweiflung.
    Sie ist der Dramen müde. Sie muss ein Reich regieren.
    Â»Majestät hat ein wenig Trost und Frieden verdient«, säuselt Panin. »Der hervorragende junge Mann, den ich im Sinn habe …«
    Der hervorragende junge Mann, den Panin im Sinn hat, Alexander Wassiltschikow, weiß angenehm zu plaudern. Er erzählt hübsche Geschichten aus seiner Jugend. Von einem zahmen Eichhörnchen, das immer durchs Fenster in sein Zimmer kam und um Nüsse bettelte. Von einem verwaisten jungen Fuchs, der auf dem Landgut seines Vaters zusammen mit Hundewelpen aufwuchs und bellen lernte wie ein Hund. Wassiltschikows Stirn ist glatt, seine Stimme sanft. Seine Hände sind warm und trocken, seine Lippen weich wie Seide. Die zahlreichen Geschenke, mit denen sie ihn bedenkt, nimmt er dankbar lächelnd entgegen.
    Wahrscheinlich braucht sie genau das. Entspannung in den Liebesstunden, Zärtlichkeiten, die rasch verfliegen, ihr Freiheit lassen für das, was wirklich wichtig ist.
    Täglich treffen Berichte aus dem Süden ein. Grigori Orlow gehen die Friedensverhandlungen zu langsam voran. Die Türken sind hochmütig. Sie wollen ihre Niederlage nicht eingestehen. In seinem jüngsten Schreiben schleicht sich ein neuer Ton ein, ganz leise, wie eine Schlange im Gras. Vergiss nicht, Katinka, dass Panin die Orlows nie gemocht hat. Er war immer schon der Meinung, dass er weit erhaben ist über uns alle, dich eingeschlossen …
    Sie liest diese Sätze noch einmal und versucht sich darüber klarzuwerden, was sie daran so sehr ärgert. Dass Grigori sie andauernd belehrt? Ihr sagt, was sie zu denken hat? Oder dass er die Orlows in einem Atemzug mit der Familie Anhalt-Zerbst nennt? Sie muss an Mamans Warnungen denken.
    Wer ist dieser Wassiltschikow, von dem alle reden?, schreibt Grigori Orlow. Was für einen Unsinn will Panin da in dir nähren? Zum Teufel mit den Türken. Ich bin auf dem Weg zu dir.
    Sie zerknüllt seine Briefe und wirft sie ins Feuer.
    Panin hat recht. Sie ist zu nachsichtig gewesen, sie hat sich zu viel gefallen lassen. Viel zu lange schon. Sie ist die Kaiserin. Sie muss den Staat lenken. Ihr Wohlbefinden ist keine Privat
sache, es ist im Interesse ihrer Untertanen, es ist wichtig für Russlands Zukunft. Sie braucht Erholung und Ruhe, keine Belehrungen. Sie braucht Liebe, keinen Kampf.
    Panin fällt es schwer, seine Befriedigung im Zaum zu halten. Seine Perücke duftet nach Bergamotteöl. In seinem Mund blinken die Blattgoldfüllungen seiner Zähne. Auch er sollte auf seinen Platz verwiesen werden. Ein für alle Mal.
    Aber sie braucht ihn jetzt.
    Grigori ist auf dem Weg, und sie, die Kaiserin, wird sich nicht so weit herablassen, dass sie selbst versucht, den wütenden Stier zur Vernunft zu bringen.
    Â»Geben Sie mir einen Rat«, sagt sie.
    Panin verneigt sich ehrfurchtsvoll. Er hat alles schon bis ins Detail geplant. Graf Orlow, der die Pest in Moskau besiegt hat, wird nicht bestreiten können, dass die Quarantäne ein bewährtes Mittel ist, die Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Und es ist nun einmal so, dass aus dem Süden Fälle von Beulenpest gemeldet wurden. Nicht allzu viele, aber es besteht doch Anlass zur Sorge. Alle Reisenden, die aus der betroffenen Region kommen, sollten vierzig Tage lang isoliert werden.
    Gatschina wäre ein bestens geeigneter Ort. Er bietet alle Bequemlichkeit, die man nur wünschen kann, und ist gut zu bewachen.
    Sie sucht in Panins Gesicht nach Zeichen von Ironie. Grigori Orlow bewachen ?
    Aber er blickt vollkommen

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