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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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Atemzug tun konnte. Wie hätte ich dem Herrscher aller Russen das verweigern sollen, was er wollte?
     
    Ich erwachte, als ein Sonnenstrahl mich an der Nase kitzelte. Im ersten Augenblick wußte ich nicht, wo ich war, sondern bemerkte nur, daß ich himmlisch weich unter Fellen und Decken in einem breiten Bett lag. Ich hörte ein Feuer knistern. Meine Hand griff in die bestickten Vorhänge, die vor dem Bett hingen, und zog sie ganz beiseite. Der Zar wandte mir den Rücken zu und saß an einem Tisch, der schräg zum offenen Kamin zum Licht des Fensters hin stand. Seine Füße, die in Pantoffeln aus Filz steckten, schlugen ungeduldig auf die Steinplatten des Bodens, und er drehte eine Feder in seiner Hand hin und her. Offensichtlich war er zu tief in Gedanken versunken, um mich zu bemerken. Ich war nackt und konnte meine Kleider auch nicht im Raum ent decken. So strich ich mir die wirren Locken aus dem Gesicht und raffte ein Laken um mich. Ich schlüpfte aus dem Bett. Dort, wo die Steinplatten nicht von Fellen und Teppichen bedeckt waren, spürte ich sie kalt unter meinen nackten Fußsohlen. Ich näherte mich Peter leise und sah ihm über die Schulter. Das kalte Licht des diesigen Wintermorgens fiel auf einen unübersehbaren Haufen von Papierrollen, die entfaltet waren oder noch in ihren Papierhülsen steckten. Der Zar begann nun ein leises Lied zu summen und senkte die Feder auf das Papier, das vor ihm lag. Ich streckte den Hals. Er zeichnete etwas, das wie ein gewaltiger Bogen aus Stein aussah. Ich hatte noch nie etwas Ähnliches gesehen.
    Ich legte meine Hand weich auf seine Schulter und fragte leise: »Was ist das?«
    Er zuckte zusammen und sprang auf seine Füße. Er starrte mich an, als ob er aus einem tiefen Traum erwacht sei.
    »Ich bin es nur!« sagte ich beruhigend – » matka «. Unbewußt verwendete ich den Kosenamen, den er mir in unseren zwei Treffen gegeben hatte. Seine Augen schimmerten im kühlen Tageslicht nun so grün wie der weiche Hausrock mit dem Fellkragen, den er trug. In der Mitte war er gegürtet, und Peter steckte eine Hand in eine der großen mit Pelz verbrämten Taschen, während er mit der anderen nachlässig über den Haufen Papier fuhr.
    »Oh, das ist alles – und nichts! Ideen für die Ausstattung von Schiffen und Gebäuden. Briefe an Freunde, Soldaten und andere Herrscher des Westens. Entwürfe für Gesetze, die wirksam oder auch nie wirksam werden, wer weiß das bei den Russen schon? Beschreibungen von neuen Steuern, die eingeführt werden, und alten, die abgeschafft werden. Obwohl – ich mein Lebtag noch keine Steuer abgeschafft habe!«
    Ich nickte und sah auf die mit einer weitgeschwungenen Schrift bedeckten Papiere: »Ja, ich habe gehört, daß du demnächst noch Steuern auf das Zwinkern der Augen einführen willst!«
    Er sah mich einen Augenblick erstaunt an und lachte dann laut auf. »Wer hat das gesagt? Wo hast du das gehört?«
    Ich zuckte meine nackten Schultern, die er nun wie gedankenlos mit einem Finger streifte.
    »Auf den Straßen. In den Kaffeehäusern, in denen ich mit Darja Arsenjewa war.«
    Seine Stirn verdunkelte sich nun: Sein Mienenspiel änderte sich so unvorhersehbar wie das Wetter im April. »Du warst in Kaffeehäusern? Ach! Was sagt man? Liebt man mich nicht? Ich erhebe diese Steuern nicht umsonst! Es ist doch für sie! Weißt du, was so ein Krieg kostet? Was es kostet, einem Volk den Lebensraum zu verschaffen, den es benötigt? Wie teuer es ist, Soldaten auszuheben und mein Volk zu mündigen, denkenden Untertanen zu erziehen? Und dann wirft man mir das vor! Ich muß ihre Kinder ja fast in die Schulen prügeln, die ich gründe! Aber warte …«, er zog einen Bogen Papier hervor, der dicht beschrieben war. Er war unterzeichnet und in das rote, tropfende Siegelwachs war der Doppeladler des russischen Zaren gedrückt. Auf der Tinte der Unterschrift klebte noch etwas von dem feinen Streusand, den er verwendet hatte. »Hier, mein letzter Ukas: Wer von den Kindern der Bojaren und der freien Bürger nicht nachweisen kann, daß er zur Schule gegangen ist, darf nicht heiraten! Das ist doch ein feines Gesetz? Das soll ihnen eine Lehre sein! Ich will Untertanen, die einen gebildeten Geist haben! Die denken! Die für Rußland denken!« Er klopfte mit der Hand auf den Ukas.
    »Und was, mein Zar, sollen sie dann denken? Werden sie dir noch so folgen, wenn ihre Gedanken so frei sind?« fragte ich ihn, ohne weiter über meine Worte nachzudenken. Bildung und Freiheit und ihr

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