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Die Zarin (German Edition)

Die Zarin (German Edition)

Titel: Die Zarin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Alpsten
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durch die Reihen gehen. Wir ritten langsam durch das Lager, und ich sah mehrere Generäle an den Feuern mit den einfachen Soldaten sitzen. Sie aßen und sprachen. Einige von ihnen sahen auf, erkannten und grüßten mich. Ich sah Scheremetjew durch die Reihen gehen und mit seiner Peitsche einen Faustkampf zwischen einem Tataren und einem Russen schlichten. Er winkte mir zu, und grüßte auch Peter Andrejewitsch Tolstoi.
    Mir wurde immer unwohler in meiner Haut. Ich hatte ein Verbrechen begangen, als ich mich am kaiserlichen Siegel vergriff. Dann jedoch sah ich einige Frauen, von denen ich nicht sagen konnte, ob sie Marketenderinnen oder Huren waren, aus einem Waschzelt kommen. Ich trug noch immer meine Männerkleider und musterte mit Mißfallen und auch Eifersucht ihre tief aus geschnittenen Kleider, über die sie nur durchsichtige Umschlagtücher gefaltet trugen. Eine der Frauen schnalzte einladend mit der Zunge und wiegte sich in den Hüften, als wir an ihnen vorbeiritten. Peter Andrejewitsch Tolstoi grinste und nickte ihr zu. Ich tat, als hätte ich das freche Weibsstück nicht gesehen.
    Der Eingang zum kleinen Zelt des Zaren war aufgeschlagen. Die Soldaten, die davor Wache hielten, spielten Würfel. Ich konnte sehen, daß Peter gemeinsam mit Menschikow, Apraxin und Golowin um einen Tisch saß. Sie schienen Lotto zu spielen, denn ich hörte ihre lauten Rufe und ihr Lachen bis hinaus in das Lager. Ich verabschiedete mich von Tolstoi: Er wollte sich dem Zaren erst später melden. Nun war ich alleine. Ich stieg vom Pferd und ärgerte mich, daß meine Beine in den engen Reithosen so deutlich zitterten. Die Soldaten sprangen auf, als ich mich dem Zelt näherte. Sie betrachteten den Passierschein. Natürlich konnten sie nicht lesen: Aber das Siegel tat das Seine. Sie ließen mich gehen. Ich atmete tief durch und betrat das Zelt. Die Männer hielten im Spiel inne und starrten mich an. Menschikow ließ seine Karte auf den Tisch fallen und rief: »Herzdame sticht!« Dann lachte er, streckte die Arme aus und sagte nur: »Martha! Immer für eine Überraschung gut! So lobe ich mir eine Frau!«
    Auch die anderen Männer lachten. Wer allerdings von meiner Anwesenheit nicht erbaut schien, war Peter selber. Er erhob sich so heftig, daß sein niedriger, hölzerner Schemel hintenüberfiel. Seine Augen schienen schwarz vor Zorn, als er mit langen Schritten näher kam.
    »Wie kommst du hierher, Mädchen?« donnerte er. Seine Freunde um ihn verstummten augenblicklich. Menschikow schnitt eine Grimasse. Apraxin sah mich ruhig an. Ich hob meinen Kopf und sah Peter in die Augen. Er wirkte nun riesenhaft, und vor Zorn begann sein Mund zu zucken. Irgendwo aber tanzte dort, in seinem Blick, neben der Wut über meinen Ungehorsam auch ein Licht des Vergnügens, mich hier so unerwartet zu sehen.
    »Zu Pferd. Ich komme zu Pferd – über zwanzig lange Tagesritte von Moskau bis an den Ladogasee«, sagte ich ruhig und versuchte, meine Worte heiter klingen zu lassen.
    »Zu Pferd! Wie bist du über die Frontlinien und durch die Wachen gekommen?«
    Anstatt einer Antwort zog ich den Passierschein aus dem Gürtel. Peter rollte ihn auf und studierte ihn im fallenden, späten Tageslicht einen Augenblick lang. Dann bellte er in sein Zelt: »Makarow! Komm her! Sofort!«
    Der Kabinettssekretär kam gelaufen und seine Augen wurden weit vor Erstaunen, als er mich sah. Ich sah ihm über die Schulter und entdeckte dort im Halbschatten des Zeltes zu meiner Überraschung auch den Zarewitsch. Ich hatte nicht gehört, daß der Zarensohn Moskau verlassen haben sollte. Alexej blickte eher gelangweilt auf die Landkarten, die Makarow vor ihm ausgebreitet hatte.
    »Ist das dein Siegel, Makarow?« fragte der Zar ihn kurz, als dieser vor uns stehenblieb. Makarow nahm das Papier, drehte und wendete es und meinte dann. »Ja – und nein: Das Siegel ist wohl meines, aber der Schein stammt gewiß nicht von mir.«
    Der Zar sah einen Augenblick von ihm zu mir. Ich lächelte Peter an und strich eine lose Strähne, die sich aus dem Knoten befreit hatte, aus meiner Stirn. Ich fühlte mich wieder stark und jung. Peters Gesicht hörte auf zu zucken, und er hielt den Kopf gerade. Dann begann auch er zu lachen und hielt den Passierschein an eine Fackel. Das Papier fing knisternd Feuer.
    »Na, dann wollen wir wohl lieber vergessen, daß wir dieses Papier gesehen haben. Dafür kannst du nämlich ans Rad kommen oder in die Spinnereien geschickt werden. Und das wäre doch schade um

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